Leverkusen Schöne trügerische Bilderwelt

Leverkusen · Irritationen stehen im Mittelpunkt einer Leverkusener Kunst-Ausstellung.

Spätestens seit Erfindung und Verbreitung des Photoshop-Programms zur Nachbearbeitung von Bildern neigen die Leute dazu, daran zu zweifeln, ob eine Fotografie die Wirklichkeit tatsächlich wiedergibt. Dennoch lassen sie sich immer wieder bereitwillig in den Bann von Wiedergaben ziehen, weil sie einfach so schön stimmig wirken. Der kanadische Künstler Rodney Graham liefert dafür ein grandioses Beispiel mit seinem Großbild-Dia "Alter Punk am Münztelefon". Er hat sich darin selbst inszeniert, und man darf sicher sein, dass er nichts, aber auch gar nichts dem Zufall überlassen hat – von seiner Gelfrisur über die farbige Bemalung der Wand im Hintergrund bis zu den Graffiti auf dem verwahrlosten Telefon-Automaten.

Das Bild hängt in einer Ausstellung des Leverkusener Museums Morsbroich, die eine alte Frage der abendländischen Philosophie neu aufgreift: Können wir vorgeblichen Abbildern der Wirklichkeit trauen? Wie verhalten sich Realität, Wahrnehmung und Bilder zueinander? Und lassen wir uns durch Bilder verführen? Schon Platon hat sich an diesem Thema abgearbeitet. Nach der Ideenlehre seines Lehrers Sokrates sind alle sinnlich wahrnehmbaren Dinge nur unvollkommene und daher fragwürdige Abbilder. Die Leverkusener Schau greift diesen Klassiker der Erkenntnistheorie mit dem "Optischen Feuer" des Künstlerduos Gusmao & Paiva auf: einer schwarzen Kleinplastik, deren Motiv verdoppelt ist.

Auch die deutsch-polnische Künstlerin Alicja Kwade greift das bei Platon angelegte Bild der Parallelwelten auf. Sie lässt zwei durch einen Spiegel getrennte Schreibtischlampen gegeneinander leuchten, wobei jede ihr Bild auf sich selbst zurückwirft.

Wie fast alle Ausstellungen des Museums Morsbroich ist auch diese – "Propaganda für die Wirklichkeit" – mit Werken international bekannter Künstler bestückt. Der Belgier Francis Alys zählt dazu. Einen Eisblock vor sich herschiebend, arbeitet er sich auf einem Video durch die Straßen Mexikos, bis der Block geschmolzen ist. Diese zeit- und raumbezogene Arbeit liegt vom Thema Wahrnehmung schon ein ganzes Stück entfernt. Näher dran ist der Düsseldorfer Fotograf Thomas Ruff. Auf seiner hochästhetischen Arbeit mit dem kürzelnden Titel "r.phg.=5_l" von 2013 führt er plastische Formen vor, die ihre Existenz allein dem kunstvollen Umgang mit dem Grafikcomputer verdanken.

Kuratorin Stefanie Kreuzer hat insgesamt 50 Werke von 24 Künstlern zusammengetragen, von Hiroshi Sugimoto bis zu Lawrence Weiner. Jede fordert den Betrachter auf ihre Weise dazu auf, den Schein nicht für das Sein zu nehmen. Besonders tiefsinnig: "Das Selbstporträt" von Andreas Lorenschat: Eine Kamera fotografiert sich selbst.

Ausstellung im Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Straße 80, Leverkusen, bis 4. Mai; geöffnet Di.–So. 11–17 Uhr, Do. bis 21 Uhr; Eintritt: 5,50 Euro, ermäßigt 4 Euro

(RP)
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