Düsseldorf Schneider und Meisner feiern Passionsandacht

Düsseldorf · Wenn die Zeit des Fastens eine Zeit der Umkehr und der Einkehr ist, so wünschte man sich dies derzeit auch für die Ökumene im Rheinland. Denn die scheint kräftigerer Impulse der Zuversicht und des Einvernehmens zu bedürfen. Für Missstimmung hatte eine Äußerung von Präses Nikolaus Schneider gesorgt, der ein generelles Verbot der Präimplantationsdiagnostik zumindest für diskussionswürdig hielt. Das wiederum ließ den Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, daran zweifeln, ob man in ethischen Fragen noch eine gemeinschaftliche Basis finden könnte. Da die Zeit des Innehaltens schon durch den christlichen Festtagskalender vorgegeben ist, war die gemeinsame Passionsandacht von Schneider und Meisner jetzt in der Düsseldorfer Johanneskirche ein möglicher nächster Schritt zur Verständigung.

Die Ereignisse in Japan aber ließen Schneider, den 63-jährigen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), andere, der furchtbaren Aktualität geschuldete Worte finden: "Was ist das menschliche Maß?", fragte Schneider mehrmals. Und welche Technik entspricht diesem menschlichen Maß? Damit stellte er die Technologie von Atomkraftwerken in Frage, die sowohl den Menschen als auch unsere Erde zu überfordern scheint – denn: "Wir sind und bleiben fehlerhaft; und wir leben auf einer Erde, die nicht zu 100 Prozent sicher ist."

In eindringlichen Worten erinnerte der Präses zu Beginn der Passionszeit und mit dem Wissen um die Katastrophe in Japan daran, dass der Mensch nur ein Teil der Schöpfung ist, nie aber der Herr der Schöpfung sein kann. Und dann veranschaulichte er in seiner Begrüßungsrede das Unvorstellbare: Die Flutwelle, so Schneider, habe in Japan die Höhe des Raumes der Johanneskirche erreicht. Es gab etliche, die daraufhin den Kopf hoben und ihren Blick zur Decke richteten. Für einen Augenblick hatte das apokalyptische Geschehen in Fernost auf diese Weise Einzug ins sichere Kirchenschiff gehalten.

Aber so sicher wie in Deutschland und in Westeuropa sind viele christliche Kirchenschiffe ohnehin nicht, worauf Meisner in seiner Predigt hinwies – auf die Verfolgung der Christen weltweit. Und die ist nach seinen Worten keineswegs ein Phänomen nur von regionalen Ausmaßen: "Das Christentum ist auch heute noch die am häufigsten unterdrückte Religionsgemeinschaft", sagte er. "80 Prozent der Menschen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, sind Christen." Das sind nach seinen Worten 100 Millionen Christen in über 50 Ländern. Die Kirche, so Meisner, sei zwar in der Welt, aber nicht von der Welt. "Das kann ihr die Welt oft nicht verzeihen."

Immer wieder prangerte der Kölner Erzbischof zudem die Christenverfolgung in muslimisch geprägten Ländern an. Und jene Toleranz und Religionsfreiheit, die hierzulande gewährt wird, forderte Meisner auch in anderen Ländern ein, namentlich der Türkei. Sein bitteres Resümee: In einer Welt zunehmender Gottlosigkeit könne eine Kirche, "deren Haupt der Gekreuzigte ist, gar nichts anderes sein als verfolgte Kirche".

Die aber wird stärker denn je auf Einheit angewiesen sein. Ob sich der Kardinal und der Ratsvorsitzende in der Passionsandacht nun wieder näher gekommen sind, erschien augenscheinlich zumindest fragwürdig. Aber sie haben zusammen die Andacht gefeiert – immerhin ein erster Schritt zu Beginn der Fastenzeit.

(RP)
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