"Abbild einer faschistischen Gesellschaft" Schlümpfe geraten ins Zwielicht

Düsseldorf (RPO). Pünktlich zum inoffiziellen Welt-Schlumpftag am Samstag gibt es schwere Vorwürfe gegen die Schlümpfe. Ihr Dorf sei ein getreues Abbild einer stalinistischen oder faschistischen Gesellschaft, erklärte der französische Soziologe Antoine Bueno.

Die Schlümpfe
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Sie sind jeden Tag blau - und das schon am frühen Morgen. Ansonsten leben sie mitten unter uns und waren bislang ganz unbescholtene, ja beliebte und geschätzte Mitbürger. Doch nun, kurz vor dem Welt-Schlumpftag am Samstag, gibt es schwere politische Vorwürfe und große Zweifel an ihrer Verfassungstreue.

Die Schlümpfe, so meint Antoine Bueno tatsächlich, seien getreues Abbild einer stalinistischen oder faschistischen Gesellschaft. Papa Schlumpf als autoritärer Führer und die Schlümpfe als Kollektiv ohne persönlichen Besitz fügten sich ins Bild eines totalitären Gemeinwesens, stellte der Soziologe fest.

Die steile These, ja Unterstellung - gleichwohl belegt durch zahlreiche Beispiele aus dem Dorfleben Schlumpfhausens - treibt die Fans der Blauen die Zornesröte ins Gesicht. Der Große Schlumpf als autoritärer Führer mit roter Jakobinermütze, die Schlümpfe als Kollektiv ohne persönlichen Besitz und im gemeinsamen Arbeitseinsatz an der Brücke, Schlumpfinchen als Verkörperung des arischen Frauenideals; ja selbst der Zauberer Gargamel und sein Kater Azrael fügten sich als Verkörperung des "Ewigen Juden" ins Bild einer totalitären Weltanschauung.

Dabei unterstellt Bueno Schlumpfvater Peyo (Pierre Culliford, 1928-1992) nicht einmal eine tatsächliche derartige politische Gesinnung. Der Phänotyp seiner so beliebten Wichte freilich sei in all ihrer Arglosigkeit den autoritären Anschauungen der Nachkriegszeit verhaftet.

Wäre es tatsächlich so, dann wäre das auch eine Art posthumer Link zu Rolf Kauka (1917-2000), der die Schlümpfe 1969 auch in Deutschland heimisch machte. Kauka selbst, dem "deutschen Walt Disney", wird eine unterschwellige braune Gesinnung nachgesagt. Seine frühen Übersetzungen etwa von Asterix ("Siggi und Babarras") sind als revanchistisch und teils rassistisch gefürchtet; die Spießigkeit seiner Protagonisten Bussi Bär und Fix und Foxi sprechen von einem wenig aufgeschlossenen Weltbild.

Die Politisierung belgischer Comic-Helden hat Tradition: Auch die frühen Werke von Herge (Georges Remi, 1907-1983) um den Reporter Tintin (Tim und Struppi) im Kongo, in China oder bei den Sowjets stehen im deutlichen Geruch des Rassismus.

Natürlich: Die Schlümpfe sind Kinder der 50er Jahre. Am 23. Oktober 1958, in Nummer 1071 des belgischen Wochenmagazins "Spirou", erblickten sie das Licht der Comic-Welt. Allerdings hatten sie da schon ein paar Jährchen auf dem Buckel: 542 Jahre der Große Schlumpf, etwa 100 Jahre alle anderen. Persönliche Namen bekamen die kleinen Wichte in all den Jahren nicht: Sie hießen einfach nur "Schtroumpf" (französisch), "Smurf" (niederländisch), "Schlumpf" (deutsch).

Von Peyo erfunden für seinen Mittelalter-Comic "Johan et Pirlouit" (deutsch: "Johann und Pfiffikus"), eroberten die Schlümpfe die Herzen des Publikums im Sturm. Schon neun Monate nach ihrer "Geburt" erhielten sie im Juli 1959 ihre erste eigene Fortsetzungsgeschichte: "Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe" - von Antoine Bueno inkriminiert als rassistischer Entwurf einer Invasion primitiver schwarzer Untermenschen gegen die blaue "Herrenrasse".

Kritisch sieht Bueno auch die Figur des Schlumpfinchens, des einzigen "Weibchens" der Gemeinde. Zauberer Gargamel hatte diesen nervig-naiven Retortenschlumpf vor den Toren der Stadt ausgesetzt, um Zwietracht zu säen. Doch mit burschikoser schwarzer Kurzhaarfrisur bleibt sie chancenlos: Blondinen sind auch bei den Blauen bevorzugt. Von einem "faschistischen Pin-up" schreibt der "Spiegel" in Berufung auf den Soziologen.

Dem Schlumpf-Vater Peyo brachten seine Geschöpfe - ob nun stalinistisch, faschistisch oder harmlos blau - königliche Meriten ein: Für seine Verdienste um das Vaterland machte ihn König Baudouin zum Offizier des belgischen Kronordens. Seinen Geburtstag, den 25. Juni, haben Freaks weltweit mittlerweile zum Weltschlumpftag ausgerufen. Massenaufmärsche von Menschen in gleichförmigen Schlumpfkostümen wollen qua schierer Größe ins Guinness-Buch der Rekorde. Ein weiterer Beleg für Buenos' Totalitarismus-These?

(KNA/pst)
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