Düsseldorf Schauspieler Heinz Reincke ist tot

Düsseldorf · Seine schönste Rolle spielte Heinz Reincke 1973, und dafür hätte man sich gern noch bei ihm bedankt, denn die Figur des Nichtrauchers in "Das fliegende Klassenzimmer" nach Erich Kästner vergisst man nicht. Rätselhaft war der Kerl mit dem lustigen Spitznamen, der in einem Eisenbahnwaggon voller Bücher lebte, und ihm zuzuhören tat so gut. In seinem norddeutschen Bariton schwang ebenso viel Jungfernstieg wie Davidswache mit, und ihn kennzeichnete jene Gutmütigkeit, hinter der sich der Schalk verbirgt.

In den letzten Jahren wurde Reincke zumeist als liebenswerter Dösbaddel besetzt, in den "Heimatgeschichten", im "Großstadtrevier" und den "Zwei Müchnern in Hamburg", und dass es mit ihm selbst als Hanseat vom Dienst nie langweilig wurde, ließ bereits ahnen, dass dieser Komödiant ein Großer war.

Reincke wurde 1925 in Kiel geboren, in jener Gegend, in der Gastwirte ein Glas Schnaps ins frisch gezapfte Bier fallen lassen, wenn man bei ihnen ein "U-Boot" bestellt. Der Sohn eines Schneidermeisters machte eine Lehre bei der Industrie- und Handelskammer, aber seine Leidenschaft galt der Bühne. Er arbeitete beim Stadttheater, bot sich an, machte alles: Soufflieren, Inspizieren. Als man ihm erste Rollen gab, waren alle baff: Der kann was! Gründgens holte ihn ans Schauspielhaus nach Hamburg, dort brillierte er in Borcherts "Draußen vor der Tür", und wenn man Bilder aus der Aufführung sieht, ist man noch 50 Jahre später von dem Ausdruck in Reinckes Gesicht ergriffen. 1968 ging er ans Burgtheater nach Wien – der Gral.

Die Auftritte in Film und Fernsehen waren seine zweite Karriere, und wer den seit 1984 mit seiner dritten Ehefrau in Wien lebenden Schauspieler als Pastor Eckholm im "Landarzt" – einer genialen Besetzung – abgespeichert hat, möge sich noch einmal "Das fliegende Klassenzimmer" ansehen. Reinckes Nichtraucher ist ein Aussteiger, ein edler Wilder mit Medizinstudium, und die Gymnasiasten suchen bei ihm Rat. Reincke hauchte der Rolle Leben ein, er verknüpfte Sentiment und Heiterkeit, und er musste dafür nur sprechen, zwinkern und schmunzeln, und vielleicht konnte er das überhaupt am besten: schmunzeln.

Jedenfalls bringt der Nichtraucher die Handlung entscheidend voran, und zum Dank darf er mit der schönen Diana Körner nach Venedig durchbrennen. "An allem Unrecht, das geschieht, sind nicht nur die schuld, die es tun, sondern auch die, die es nicht verhindern." Dieser Satz bleibt. Am Mittwoch starb Reincke, der an Lungenkrebs erkrankt war, 86-jährig in Wien.

(RP)
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