Schauspiel Köln: Virginia Woolfs "Die Wellen"

Köln Ist das noch Theater – oder schon Kino? Diese Frage drängt sich bei den Arbeiten der britischen Theatermacherin Katie Mitchell immer wieder auf. Denn Mitchell hat 2006 am Londoner National Theatre für ihre Bühnenfassung von Virginia Woolfs experimentellem Roman "Die Wellen" eine eigene, artifizielle Live-Video-Ästhetik entwickelt, die zu ihrem Markenzeichen wurde. Nun hat sie Woolfs sperrigen Roman, der in der Technik des inneren Monologs den Lebensweg von sechs Menschen umkreist, erneut am Kölner Schauspiel herausgebracht, wo sie mit Franz Xaver Kroetz' "Wunschkonzert" bereits 2009 für Furore sorgte.

Auf der Bühne steht unter einer großen Videowand ein langer Tisch, zu beiden Seiten Regale mit Requisiten und allerlei Gerätschaften aus der Werkstatt des Geräuschemachers. Es wimmelt von Mikros, drei Videokameras sind ständig im Einsatz. Neben Technikern sind auch die Schauspieler als Geräuscherzeuger, Requisiteure und Aufbauhelfer unterwegs, wenn sie sich nicht gerade selbst für das nächste Close-up präparieren. Das alles läuft parallel und in Windeseile ab, die technischen Abläufe greifen mit frappierender Präzision mit dem eigentlichen Spiel ineinander.

Mitchell zeigt auf offener Bühne, wie (Kino)-Bilder entstehen, sie tut nichts Anderes, als den ganzen Fuhrpark der Illusionsfabrik offen zu legen. Die erzeugten Bilder zeigen kunstvolle Arrangements, die an Stillleben erinnern. In den auf die Leinwand übertragenen Szenen sind die Gesichter der Schauspieler oft in Nahaufnahme zu sehen, während die Verrichtungen ihrer Hände synchron von Doubles ausgeführt und Woolfs Texte aus dem Off gesprochen werden. Vollständige Bilder entstehen so erst im Kopf des Zuschauers.

Zunächst langsam, dann aber sicher runden sich die fragmentarischen Episoden zum großen Roman und großen Kino, denn erstaunlicherweise schafft der permanente Verfremdungseffekt des Making-of auf Dauer keine Distanz, sondern entwickelt einen zutiefst melancholischen Sog, dem man sich kaum entziehen kann.

Gibt es im ersten Teil noch einzelne Lacher, wenn bestimmte Effekte auf besonders verblüffende Weise erzeugt werden, legt sich das Amüsement bald, so als habe man sich an eine Art neuer Seh-Grammatik gewöhnt. Eine faszinierende Annäherung an Woolfs radikalen Text.

(RP)
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