Salzburger Intendant liefert Luxus

Alexander Pereira, der als Intendant von der Oper Zürich zu den Salzburger Festspielen wechselte, hat seine ersten Wochen überstanden. Seine Neigung zu Hochglanzprodukten beglückt vornehmlich die High Society. Kritiker vermissen Ideen und beanstanden künstlerische Defizite.

Salzburg Die Aufgabe von Festspielen liegt in der Präsentation einer Kunst, die sich normale Opernhäuser weder leisten können noch leisten wollen. Festspiele müssen Starbesetzungen arrangieren, aber auch schwierige, undankbare oder entdeckungswürdige Werke spielen. In dieser Hinsicht besitzt Alexander Pereira in seiner ersten Saison eine scheinbar krisensichere Legitimation als Intendant der Salzburger Festspiele.

Er hat Anna Netrebko für die "La Bohème"-Aufführungen buchen können, er hat die Urfassung von Strauss' "Ariadne auf Naxos" revitalisiert, und er hat Peter von Winters Oper "Das Labyrinth", ein "Zauberflöten"-Remake, aus dem Archiv fischen lassen, von Bernd Alois Zimmermanns erregend multiplen "Soldaten" ganz zu schweigen. Das Schauspiel steht mit dem unverwüstlichen "Jedermann" und dem von Andrea Breth zur psychopathologischen Fallstudie hochgefixten "Prinz Friedrich vom Homburg" auch nicht schlecht da; der "Peer Gynt" von Irina Brook war eine jener grenzgängerischen Manipulationen eines Originals, die in diesem Fall den größten Eindruck machte.

Das finanzielle Ergebnis ist auf der Seite der Opern folglich sehr anständig; im Verbund mit dem von Pereira kreierten Sponsorenmodell gab es im Musiktheater kaum leere Plätze. Bei den Konzerten und den eher alternativ angehauchten Neue-Musik-Veranstaltungen waren schon mehr Plätze unbesetzt. Allerdings ist das Etikett "Ausverkauft" eine Wohlstands-Chimäre, die aus unanständigem Quotendenken geboren ist. Freilich gab es zumal in der ersten Woche mit ihrem Premieren-Staccato eine Reihe empfindlicher Trübungen. Gerade die initiale "Zauberflöte" lahmte merklich, was auch an dem unelastischen Dirigat von Nikolaus Harnoncourt lag. Dirigentenprobleme gab es ebenfalls bei der "Ariadne" (Daniel Harding) und erst recht bei der "Bohème" (Danielle Gatti). Und die konzertante Version von Mozarts "Il re pastore" mit keinem Geringeren als Startenor Rolando Villazón war mäßig besetzt. Das war die Folge eines geradezu horrenden Überangebots an Veranstaltungen; nun, wer viel anbietet, muss es oft spielen, damit sich die Produktionskosten amortisieren.

Künstlerisch geradezu ein Fiasko war die Wiederentdeckung von "Das Labyrinth". Diese Oper hatte Emanuel Schikaneder, der Textdichter der "Zauberflöte", beim Münchner Hofkapellmeister Peter von Winter 1798 bestellt, weil Mozart schon ein paar Jahre tot war, aber Schikaneder den ungeheuren Erfolg der "Zauberflöte" verlängern wollte; deren komplettes Personal sollte neue Abenteuer bestehen. Also ein modernes Konzept der Erfolgserweiterung. So stark der Jubel damals ausgefallen sein soll, so trist hörte sich das Opus jetzt bei der Premiere im Residenzhof an. Zwar gab sich die Regie alle Mühe, die Prüfungen vor allem erotischer Art für Tamino und Papageno drastisch ausfallen zu lassen, aber das Werk hat so viele Schwächen, dass man nicht versteht, wieso Dirigent und Regisseur es nicht radikal kürzten. Auch die Musik reicht nicht entfernt an Mozarts Qualität heran. Eine Pein war es, lauter drittklassigen Sängern zuhören zu müssen, die jeden Festspielgedanken ad absurdum führten.

Einem Staatsempfang kam das Konzert mit dem West Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim gleich, dessen Darbietung von Beethovens Sinfonien Nr. 5 und Nr. 6 vor allem durch massive Klangballung (langsame Tempi, acht Kontrabässe, vierfaches Holz) in den Rang der repräsentativ-politischen Geste aufrückte. Künstlerisch war der Ertrag eher gering.

Ein neuer Geist ist hier, auch wenn sich der Intendant das als Resümee insgeheim wünscht, nicht zu entdecken. Neu ist freilich die gehäufte Gegenwart von Markenartikeln, die früher in dieser Konzentration in Salzburg nicht vorkamen; etwa "La Bohème" und "Carmen" in einer Saison. Ist dies das Markenzeichen von Pereira, gleichsam der Ersatz einer zentralen Idee der Festspiele? In der "Bohème" kam der Spielzeugverkäufer Parpignol wie ein merkantiler Himmelsbote vom Schnürboden gerauscht und trug ein Spiderman-Kostüm mit dem Buchstaben "P" auf der Brust. Seitdem macht hier der Witz die Runde, dies sei ein kleines Geschenk an "P" (wie Pereira) als Dank fürs Engagement gewesen.

(RP)
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