Bochum Die Weltwirtschaft als Spielplatz

Bochum · Bei der Ruhrtriennale feierte Johan Simons mit "Cosmopolis" seinen Abschied.

Die Adaption von Don DeLillos Roman "Cosmopolis" bei der Ruhrtriennale ist ein einziges großen Fragezeichen. So eines wie es ganz sicher auch über über dem Kopf des Regisseurs Johan Simons hängt, der mit der Inszenierung einen Schlusspunkt hinter seine drei Jahre als Intendant des Kulturfestivals setzt. Simons konnte sich diese Geschichte einfach nicht vorstellen: Dass da ein Mensch aus einer Stretch-Limousine heraus mit Milliarden Dollar virtuellen Geldes spekuliert, innerhalb eines Tages alles verliert und das Weltwirtschaftssystem ins Wanken bringt.

Deshalb hat er die Geschichte auf einen Spielplatz verfrachtet: Weil Kinder sich alles vorstellen können, ihr Moralsystem nicht so ausgeprägt ist, sie ihren Affekten folgen, basale Bedürfnisse befriedigen.

Johan Simons' Inszenierung ist auch eine Hommage an die Industrie-Architektur der Bochumer Jahrhundert. Mit Bühnenbildnerin Bettina Pommer nutzt der Regisseur sie so, wie es die ersten Theatergruppen oder die Bochumer Symphoniker in den 1990er-Jahren getan haben, als sie die Halle als Kulturort entdeckten: Fast die gesamte Länge steht als Aufführungsort bereit.

Das Publikum schaut allerdings von einer seitlich aufgestellten Tribüne auf das Geschehen und erahnt so zur Rechten nur ein schwarzes Loch, aus dem sich manchmal das Saxophon-Quartett Blindman mit Klängen zwischen barocker Polyphonie und Free Jazz zu Wort meldet. Gemeinsam mit dem elektronischen Musiker Benjamin Dousselaere erschaffen sie so zwar einen vielschichtigen Soundtrack zum Stück - von Musiktheater zu sprechen wäre allerdings übertrieben, weil die Komposition nur eine weitere Bühne für den Text bildet.

Vier Darsteller bewegen sich zwischen stilisiertem Sandkasten, Schaukel und Holzbänken, und ihre Art, zu sprechen, die Welt wahrzunehmen und ihr zu begegnen, behält die ganze Zeit über etwas Kindlich-Naives. Pierre Bokma spielt den irrsinnig reichen Währungsspekulanten Eric Packer etwas schlaff und ermattet im Business-Oberteil und unten albernen Hochwasserhosen. Dieser Typ will nur spielen, aber seine Wille und seine Neugier sind unstillbar, grenzenlos und gefährlich. Quengelig und nölig sinniert er über die geheime Welt der Zahlen, will seine Spekulation auf den Wertverlust des Yen auf die Spitze treiben.

Leider nimmt das kreisende, wenig pointierte Spiel erst am Ende Fahrt auf, wenn Packer seinem Mörder begegnet und sich in Todessehnsucht ergeht - um etwas zu fühlen, in Kontakt mit der Realität zu kommen, der er längst entglitten ist.

Info Weitere Aufführungen: 28., 29. und 30. September. www.ruhrtriennale.de

(RP)
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