Romanze mit fremder Frau im toskanischen Hinterland

Liebesfilm In "Die Liebesfälscher" tun ein Mann und eine Frau so, als lebten sie seit langer Zeit zusammen

Am Anfang sieht man einen Mann und eine Frau, die einander begegnen, umgarnen, über die schönen Künste philosophieren und dann bei einem Ausflug ins toskanische Hinterland ausgerechnet in jenem romantischen Dorf namens Lucignano landen, in das italienische Paare von jeher fahren, um zu heiraten.

Welch eine Anhäufung von Klischees, eingebettet in die sanften Farben der toskanischen Hügel und die verwinkelten Gassen der kleinen malerischen Orte! Das klingt nicht nach einem Werk von Abbas Kiarostami, jenem mittlerweile 71-jährigen iranischen Regie-Altmeister, dessen Filme bislang immer so karg minimalistisch, ja fast dokumentarisch aussahen und in denen er zumeist mit Laiendarstellern von seinem krisengeschüttelten Heimatland erzählte.

Seine bekannteste Arbeit ist "Der Geschmack der Kirsche", für die er 1997 die Goldene Palme von Cannes erhielt. "Die Liebesfälscher" ist nun sein erster außerhalb des Irans gedrehter Film, und es ist ein seltsames, aber durchaus reizvolles Verwirrspiel, das Kiarostami hier entworfen hat. Kennen sich Autor James Miller (gespielt von Opernsänger William Shimell) und die schöne, namenlos bleibende Frau an seiner Seite (Juliett Binoche) erst seit wenigen Stunden oder sind sie schon seit langem zusammen?

Denn fast beiläufig, angeregt durch die Äußerung einer Pensionswirtin, die sie für ein Ehepaar hält, spielen die beiden fortan, während sie durch die Gassen schlendern, die Enttäuschungen und Ressentiments einer langjährigen Beziehung durch. Vorwürfe werden gemacht, Emotionen hinterfragt, Tränen vergossen.

Aber erinnern sich die beiden wirklich an ihre eigene Liebesgeschichte oder ist alles nur herbeifantasiert?

Diese Frage lässt Kiarostami stets in der Schwebe, aber wie er hier die Rätsel einer Paarbeziehung – sei es in diesem Falle nun Illusion oder Realität – auffächert, das hat etwas Fesselndes, Ironisches und nicht zuletzt etwas Nachhaltiges.

Kiarostami hat sich auch als Lyriker einen Namen gemacht. Eine erste Sammlung erschien 1999 in Teheran. Nachdem sie ins Englische, Französische und Italienische übersetzt worden war, erschien sie 2004 unter dem Titel "In Begleitung des Windes" auch in deutscher Sprache (Suhrkamp). llll

(RP)
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