Roman Herzog: Mahnruf eines glühenden Europäers

Die Zukunft der Europäischen Union ist für Bundespräsident a.D. Roman Herzog ein zentrales Thema seines Denkens. Für ihn ist die EU nichts Statisches. Er begreift sie als dynamischen Prozess, der nur gelingen kann, wenn die Bürger bereit sind, sich an diesem kreativen Prozess zu beteiligen. Doch hier liegt der Hund begraben. Viele Bürger haben sich bereits innerlich zurückgezogen. Herzog sieht darin die größte Gefahr für den Einigungsprozess. Die Menschen kritisieren nicht zu Unrecht die Aufblähung des Brüsseler Apparates. Sie gehen mit der zunehmenden Bürokratie ins Gericht, beklagen die mangelnde Transparenz der Entscheidungswege bei einer Normenflut, die ins tägliche Leben hineindrängt.

Roman Herzog, der Landesminister, Präsident des Bundesverfassungsgerichtes und Bundespräsident war, setzt noch einen Schlag drauf. Der glühende Europäer fordert: Die EU darf sich nicht zu einem Überstaat entwickeln, der die inzwischen 28 Mitgliedstaaten und deren vom Volk gewählte Parlamente entmachtet. Die EU müsse demokratischer werden und näher an ihre Bürger rücken.

Die aktuelle EU-Diskussion wird weitgehend beherrscht von Kritik, Krisen und einer Katastrophenstimmung. Mit seinem sehr lesenswerten und trotz der komplizierten Materie verständlich geschriebenen Buch will Herzog, der 80 Jahre alt ist, einen Beitrag leisten zur Neuerfindung der EU. Sie muss den Wohlstand ihrer Bürger erhalten und mehren, wirtschaftlich und moralisch stark sein. Und sie muss endlich außenpolitisch geschlossen auftreten. Sein Buch ist ein Weckruf, der sich nicht auf das Aufzählen von Verfehlungen der Europapolitik verkürzt, sondern die Gründe für den Ist-Zustand benennt und politische Verbesserungen anregt.

Herzog fordert eine "europäische Nation", die nicht an den klassischen Staat angelehnt sein muss. Dieser Weg innerhalb der transnationalen EU müsse mit politischer Fantasie gestaltet werden, um den Bürgern wieder mehr Identifizierungsmöglichkeiten mit dem großen Projekt anzubieten. Ansonsten drohe ein Demokratie-Defizit.

(RP)
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