Berlin Robert Lebeck ließ Gesichter sprechen

Berlin · 85-jährig ist einer der größten Fotografen des 20. Jahrhunderts in Berlin gestorben. In den Porträts Robert Lebecks spiegelt sich Zeitgeschichte.

 Der Fotograf Robert Lebeck ist im Alter von 85 Jahren im Kreise seiner Familie in Berlin gestorben.

Der Fotograf Robert Lebeck ist im Alter von 85 Jahren im Kreise seiner Familie in Berlin gestorben.

Foto: dpa, bsc

Wie ein großer Maler in einem scheinbar nebensächlichen Motiv womöglich eine ganze Epoche verdichtet, so weisen die Bilder herausragender Fotografen weit über den eingefangenen Moment hinaus. So war auch Robert Lebeck, der jetzt 85-jährig gestorben ist, mehr als der "charmante Dieb des Augenblicks", als den ihn sein jahrzehntelanger Auftraggeber, die Illustrierte "Stern", einmal bezeichnet hat. Er war zugleich, wie das Magazin jetzt online aus Anlass seines Todes nachschob, der "größte Foto-Chronist unserer Zeit" - oder doch einer der größten.

Wer die markantesten Fotografien Lebecks vor seinem inneren Auge vorüberziehen lässt, dem öffnet sich ein deutsches Panorama seit den 50er Jahren. Damit sind keineswegs nur deutsche Motive gemeint, sondern auch der Blick aus Deutschland auf die Welt. Denn ausgerechnet eine seiner bekanntesten Fotografien entstand 1960 in Leopoldsville bei den Unabhängigkeitsfeiern von Belgisch Kongo. Dort hielt er den Augenblick fest, in dem ein Einheimischer dem belgischen König Baudouin dessen prächtigen Säbel entriss und freudig davonlief. Die Aufnahme gilt heute als Sinnbild für den Niedergang der Kolonialmächte in Afrika.

Nicht immer fing Lebeck mit seiner Kamera Menschen ein, doch ließ er vorzugsweise Gesichter sprechen. Wie später in Leopoldsville gelang ihm ein weltweit beachteter Schnappschuss bereits, als er 1958 den jungen Elvis Presley als Soldat im hessischen Friedberg zeigte. Auch in den folgenden Jahren verwandelte er einzelne Gesichter in Spiegelbilder ihrer Zeit. Er fotografierte Romy Schneider mit Schiebermütze, Joseph Beuys mit einer Axt, Willy Brandt bei seinem Rücktritt als Bundeskanzler oder im Sonderzug durch Deutschland fahrend und Alfred Hitchcock hinter einer Tür. Er zeigte Konrad Adenauers wahres Alter, indem er dessen Porträt zum 90. Geburtstag auf das faltige Viertel seines Gesichts reduzierte. Und Herbert von Karajan wurde unter Lebecks Blick zum Schattenriss aus Frisur, Hand und Dirigentenstab. Nur wenige dieser kontrastreichen Schwarzweiß-Aufnahmen aus den frühen Jahren waren tatsächlich Momentaufnahmen. Die meisten sind auf natürliche Weise inszeniert. Solche Fotografien bringt nur zustande, wer sich ein Vertrauensverhältnis zu den Porträtierten erarbeitet hat.

Später wurde es dann farbig; schließlich gingen auch die Magazine, für die Lebeck fotografierte, mit der Zeit. Von 1979 arbeitete er nach einem zweijährigen Intermezzo beim Magazin "Geo" wieder beim "Stern". Durch ihn wurde er bekannt, umgekehrt trug er nicht wenig zum Ansehen seines Auftraggebers bei.

Robert Lebecks Biografie war eine typische Biografie der unmittelbaren Nachkriegszeit. 1944, im Alter von 15 Jahren, hatte die deutsche Wehrmacht den gebürtigen Berliner eingezogen und an die Ostfront geschickt. Dort geriet er 1945 in Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr machte er in Donaueschingen sein Abitur und studierte in Zürich und New York Völkerkunde. Jenseits des Atlantiks begeisterte er sich für den Bildjournalismus der Magazine "Life" und "Look". Unmittelbar auf das Studium wollte er fortan sein Berufsleben nicht mehr gründen. Stattdessen eignete er sich als Autodidakt das Fotografieren an, arbeitete für verschiedene Heidelberger Zeitungen als Fotoreporter und stieg dann zu Blättern von überregionalem Rang auf.

Heute gelten Lebecks Aufnahmen nicht nur als Kunstwerke, sondern auch als Zeugnisse der Zeitgeschichte. Lebeck wusste sehr wohl, in welcher damals noch kurzen Tradition er stand. Denn er hielt die Fotografie des 19. Jahrhunderts in Ehren, indem er sie sammelte. Diese Sammlung mit zahlreichen Inkunabeln der Fotografiegeschichte zählt seit 1994 zum Bestand des Kölner Museums Ludwig. Auch mit seinen eigenen Fotografien ist Robert Lebeck längst in bestem Sinne museal geworden.

(RP)
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