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Los Angeles · Regisseur Guy Ritchie bringt eine Realverfilmung von Walt Disneys „Aladdin“ ins Kino. Den Flaschengeist Dschinni spielt Will Smith.

Will Smith (r.) als Dschinni und Mena Massoud als Aladdin in einer Szene des Films „Aladdin“.

Will Smith (r.) als Dschinni und Mena Massoud als Aladdin in einer Szene des Films „Aladdin“.

Foto: dpa/Daniel Smith

Seit dem Erfolg ihres ersten abendfüllenden Zeichentrickfilms „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ im Jahr 1935 haben die Disney-Studios sich mit kommerzieller Hartnäckigkeit den internationalen Märchen-Kanon angeeignet und konsequent verkitscht. Inzwischen hat der Konzern eine zweite Verwertungsrunde eingeleitet, indem er die eigenen Zeichentrick-Klassiker als computeranimierte Realfilme wieder auferstehen lässt.

Gerade erst ist mit Tim Burtons „Dumbo“ der mutierte Elefant mit seinen Segelohren durch die Zirkusarena geflogen, da erhebt sich auch schon „Aladdin“ auf seinem fliegenden Teppich in den Himmel hin zu neuen Boxoffice-Rekorden. 1992 brachte Disney+ seine Version des Märchens aus „Tausendundeiner Nacht“ heraus, die vom zahlenden Publikum mit einem weltweiten Einspielergebnis von 504 Millionen Dollar zum erfolgreichsten Film des Jahres gekürt wurde. Mit „Aladdin“ warf man die Betulichkeit, die vielen Märchenverfilmungen des Hauses anhing, über Bord und konnte vor allem mit einer visuellen Dynamik überzeugen, die den Möglichkeiten der damals noch recht jungen digitalen Bildgenerierung zu verdanken waren.

Aber auch deutliche Kritik an den Orient-Klischees wurde formuliert. Während zahlreiche Nebenfiguren mit großen Nasen und wilder Mimik als Ethno-Karikaturen angelegt waren, sahen Aladdin und Prinzessin Jasmin aus wie (schwarzhaarige) amerikanische Teenager, die offensichtlich Identifikationmöglichkeiten fürs heimische Publikum herstellen sollten.

Als Vorlage für die Titelfigur soll den Zeichnern damals der junge Tom Cruise gedient haben. Die Sensibilität gegenüber solchen Stereotypen ist heute stärker denn je, und darauf reagiert Disney nun in seiner Realfilm-Adaption mit einer Besetzungsliste, die den modernen Diversitätsansprüchen entgegenkommt. Für die Rolle des Aladdin wurde der ägyptisch-kanadische Newcomer Mena Massoud unter Vertrag genommen, der hier auch seine Gesangs- und Tanztalente unter Beweis stellen kann. Mit einer furiosen Eingangssequenz taucht der Film hinein ins Getümmel der Stadt Agrabah, wo der junge Dieb mit halsbrecherischer Akrobatik vor den Ordnungshütern flüchtet.

Diese Action-Eröffnung wäre durchaus eines James-Bond-Films würdig und führt gleichzeitig in eine orientalische Fantasiewelt ein, die mit satten Farben und überbordendem Detailreichtum aus dem digitalen Tuschekasten zusammengepixelt wurde. Regisseur Guy Ritchie, der mit „Sherlock Holmes“ und „King Arthur“ einschlägige Erfahrungen im Fantasy-Gewerbe sammeln konnte, lässt hier kräftig die Muskeln spielen und hält das inszenatorische Niveau auch in später folgenden Massensequenzen. Tanz, Gesang und CGI-Effekte greifen hier nahtlos und flüssig ineinander.

Ritchie und sein Co-Drehbuchautor John August halten sich eng an das Handlungsgerüst der hauseigenen Vorlage und übersetzen auch in visueller Hinsicht manche Szenen fast 1:1 ins Realfilmformat wie etwa die Flucht aus der Höhle, aus der Aladdin die Wunderlampe entwendet. Aus der steigt dann schon bald ein überdimensionaler, blau eingefärbter Will Smith als Zaubergeist Dschinni hervor. Smith geht hier als magische Witzfigur in die Vollen, aber sein Overacting passt in diesem Fall bestens zur Rolle, die auch im Original als exzentrisch angelegt war.

Ritchie gilt ja seit seinem Debüt „Bube Dame König grAs“ (1998) bis hin zur hypervirilen King-Arthur-Adaption eher als Macho-Regisseur. Umso mehr überrascht es, dass er sich hier auf dem Gebiet Romantik bewährt. Mena Massoud und Naomi Scott in der Prinzessinnenrolle geben ein sehr attraktives und hochfunktionales Liebespaar ab, das Schnulzen schmetternd auf dem fliegenden Teppich über Agrabah dahinschweben darf. Die Devise „Nicht weniger, nur mehr ist mehr“, mit der Ritchie seine „Sherlock Holmes“-Filme fütterte, geht auch im Kitsch-Universum des Hauses Disney schlüssig auf.

Einen gewissen Sinn für Opulenz muss man als Zuschauer hier jedoch mitbringen. Für cineastische Asketen dürfte der bekennende Anti-Minimalismus dieses Werkes eine äußerst schmerzhafte Kinoerfahrung sein. Aber vollkommen aus der Zeit gefallen ist das eskapistische Kinomärchen dennoch nicht: Im Verein mit der neuen Generation von Disney-Prinzessinnen wie „Rapunzel“ und „Cinderella“ beweist sich Jasmin als selbstbewusste Frau, die nicht nur ihren Aladdin heiraten darf, sondern auch – abweichend vom Original – am Ende als kompetente Herrscherin gekrönt wird.

Äußerst zeitgenössisch wirkt auch der Bösewicht Jafar (Marwan Kenzari), der in seiner Machtgier keineswegs zufällig an die politischen Omnipotenz-Fantasien Donald Trumps erinnert und am Ende spektakulär in die Lampe zurückgezaubert wird. Darauf müssen wir in der außerfilmischen Realität wohl noch ein wenig warten.

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