Der letzte Kanzler des Kaisers

Prinz Max von Baden – aristokratische Unglücksfigur des Kriegsjahres 1918

Prinz Max von Baden — aristokratische Unglücksfigur des Kriegsjahres 1918

Max von Baden war des Kaisers letzter Kanzler: für knapp fünf Wochen im Herbst 1918. Mit dieser ebenso kurzen wie erfolglosen politischen Tätigkeit ist der Adlige der Nachwelt bekannt geblieben. Der Historiker Lothar Machtan zeichnet in seiner gewichtigen Biografie das in allen Bereichen tragische Leben des Prinzen nach. Der Bremer Historiker bewegt sich in seiner spannenden Schilderung geschickt zwischen den beiden Fixpunkten: der versteckt gelebten Homosexualität und den reaktionären politischen Ansichten des Protagonisten. Es gehört wohl zum großen Missverständnis dieses Lebens, dass Max von Baden wegen seiner "weichen Natur", wie es damals umschrieben wurde, erpressbar war und auch von seinem Vetter Wilhelm II. als "Bademaxe" verhöhnt wurde. Andererseits galt er als liberaler und fortschrittlicher Geist, der er in Wirklichkeit überhaupt nicht war.

Aus den Briefwechseln mit seinen oftmals dubiosen Ratgebern und Freunden wie dem Leibarzt Axel Munthe, Cosima Wagner und dem einflussreichen Prediger Johannes Müller, der so etwas wie der Guru des sinnsuchenden Prinzen war, zeichnet der Autor dieses verhängnisvolle Leben nach. Breiten Raum nimmt - ungewöhnlich für eine politische Biografie - die Schilderung der körperlichen und seelischen Nöte des Homosexuellen ein, der um den Schein und das Adelsgeschlecht zu bewahren, dringend Nachkommen zeugen muss. Machtan ist sich ziemlich sicher, dass die "Nachhilfe" des schwedischen Leibarztes sehr persönlich war und die beiden so entstandenen Kinder der Marie Luise von Cumberland deshalb zu einem guten Teil bürgerlicher Abstammung waren.

Fürs Militär und vor allem den Krieg konnte der feingeistige Prinz keine Leidenschaft aufbringen. Die Unform trug er, weil dies im Kaiserreich für die Adligen obligatorisch war. Aus dem Krieg kam er schon nach wenigen Tagen wieder zurück. Denn er konnte den Lärm und den Schmutz dort nicht ertragen. Um die öffentliche Meinung zu beruhigen, kümmerte er sich um den Sanitätsdienst für die Verwundeten im Großherzogtum Baden.

Detailreich bescheibt der Biograf Lothar Machtan die turbulenten Ereignisse in der Endphase des Ersten Weltkrieges. Prinz Max habe als Kanzler des zu Ende gehenden Deutschen Kaiserreiches eine sehr unglückliche Figur abgegeben. Gegen die Militärs konnte sich Prinz Max ebenso wenig durchsetzen, wie er sich Respekt in seinem Kabinett verschafft habe. Beinahe rührend ist es, zu lesen, dass ausgerechnet Friedrich Ebert von der SPD einer der wenigen Vertrauten des antimodernen Aristokraten war.. "Der letzte Kanzler des Kaisers" beschreibt auch die politischen Zustände in Deutschland während des Ersten Weltkriegs. Das Buch ist eine glänzend geschriebene Biografie einer ganzen Epoche.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort