Annegret Kramp-Karrenbauer Lachen und lachen lassen

Berlin · Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Gefühl, die Deutschen sind „das verkrampfteste Volk der Welt“. Das ist nun aber auch wieder ein bisschen hart.

 Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrer Rede am Aschermittwoch.

Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrer Rede am Aschermittwoch.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Heute schon gelacht? Chef oder Schaffnerin durch den Kakao gezogen? Fanden die das lustig? Oder haben sie es nicht gehört. Zumindest nicht der Chef. Ist ja nicht immer die beste Empfehlung, die Vorsitzenden vor allen anderen hochzunehmen. Auch, wenn er oder sie es mal verdient hätte, eine solche Narretei. Wie halten wir es denn mit dem Humor? Die CDU-Vorsitzende und erprobte Büttenrednerin Annegret Kramp-Karrenbauer findet nach dem Shitstorm über ihren Karnevalswitz über pinkelnde Männern und Toiletten für jene „dazwischen“, wir Deutschen seien das „verkrampfteste Volk, das überhaupt auf der Welt rumläuft“. Das ist nun auch wiederum ein bisschen hart, aber etwas Wahres ist schon dran. Wir sollten uns locker machen.

Es gibt zwei Denkschulen. Die einen sagen: Jeder darf über alles und jeden Witze machen. Über die Mächtigen wie über die Minderheiten, selbst über Juden. Das gehört zur Meinungsfreiheit und damit zur Demokratie. Und erst recht und immer da im Karneval. Wenn nicht einmal mehr die Büttenredner frei Schnauze reden dürfen und die büttenredenden Politiker auch hier politische Korrektheit an den Tag legen müssen, ist es um die Freiheit schlecht bestellt.

Wenn die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vor dem „Stockacher Narrengericht“ als „Angeklagte“ auftritt, wie sie selbst betont, muss sie sich verteidigen. Das ist Tradition seit 1351. Deutsches Kulturgut. Dass Intersexuelle da zwischen die Räder beziehungsweise zwischen Machos und Emanzen geraten, verdient den Aufschrei der sogenannten Berliner Blase mit den Politikern und Journalisten nicht, die ohnehin keinen Kontakt mehr zur Bevölkerung hätten und nicht wüssten, was die wirklichen Probleme sind.

Tagelang wurde rauf und runter über eine Minderheit von geschätzt 100.000 Menschen gesprochen, deren Sorgen kaum einer kennt. Sollte man sich mal im selben Maße über Wohnungsnot, Pflegenotstand, missglückte Inklusion und vieles mehr aufregen, was Millionen von Bürgern betrifft.

Die anderen sagen: Selbst Humor hat seine Grenzen und nicht jeder in Deutschland ist Karnevalfan und kann über die dort manches Mal mäßigen Kalauer lachen. Nicht jeder darf über alles Witze machen. Die Deutschen nicht über Juden, weil sie sie einst mit deutscher Gründlichkeit vernichtet haben. Donald Trump nicht über einen körperbehinderten Journalisten, weil ein Präsident damit nicht nur die Würde des Reporters, sondern auch die Würde des Präsidentenamtes verletzt und Regierende nicht über Minderheiten, die es ohnehin schwer im Leben haben.

Es gibt aber noch etwas: Etwas dazwischen. Wir könnten uns in Gelassenheit üben. Und in Toleranz. Karnevalisten gegenüber den Anti-Karnevalisten und umgekehrt. Die einen warten sehnsüchtig darauf, dass die fünfte Jahreszeit beginnt und die anderen, dass sie endet. Beide haben Recht. Über Humor lässt sich genauso wenig streiten wie über Geschmack.

Und wie ist es im normalen Leben? Man macht einen Witz und der Verspottete fühlt sich verletzt. Wenn man das nicht beabsichtigt hat, sagt man es. Und wenn man meint, dass man missverstanden wurde, sagt man es auch. Und wenn man findet, der andere muss das mal aushalten, ist auch das möglich. Und dies dürfen andere ebenso daneben finden. Und wer in der Öffentlichkeit steht, muss aushalten, dass alle dazu eine Meinung haben. Die Kanzlerin, die Parteivorsitzenden, der Bundestrainer.

Vielleicht sind die Deutschen ernster als andere Nationen. Wir nehmen es genau und haben nicht diese Leichtigkeit, die uns an Südeuropäern oft fasziniert. Da haben wir Nachholbedarf. Wir könnten öfter mal Fünfe gerade sein lassen. Wir könnten die Feste mehr feiern, wie sie fallen. Unsere Kultur, unsere Sozialisierung unser Pflichtbewusstsein, unser Verantwortungsgefühl wird schon nicht dazu führen, dass wir den alten Grundsatz über Bord werfen: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Denn das wäre dann auch wieder nicht Recht.

Wir sind wohl wahrlich nicht die Lustigsten unter der Sonne. Dafür haben wir vielleicht auch eine zu dunkle Geschichte und gelernt, dass Korrektheit, politische Korrektheit, etwas Gutes ist. Manchmal könnten wir ruhig noch viel kritischer sein mit der Welt und mit uns. Missstände gibt es genug und natürlich haben jene Recht, die mahnen, nicht nur Intersexuelle hätten Sorgen. Die Verkrampftesten sind wir nun auch nicht, aber es fehlt uns oft die Selbstironie. Lachen und lachen lassen – und am besten öfter über sich selbst.

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