Plötzlich Bestsellerautor

Mit dem Roman "Auerhaus" wurde Bov Bjerg 2015 berühmt. Jetzt legt er nach.

Es ist beinahe unfair, nun immerzu vom "Auerhaus-Autor" zu sprechen. Das ist jetzt nämlich so, wenn von Bov Bjergs neuem Erzählband die Rede ist. Dann sagen die Leute, die im vergangenen Jahr seinen Roman gelesen haben: Ich lese jetzt gerade das neue Buch von Bov Bjerg. Und weil viele mit dem Namen noch nichts anfangen können, wird dann nachgeschoben: Du weißt schon, der Auerhaus-Autor!

Mehr als 100.000 Exemplare von Bjergs Roman "Auerhaus" wurden seit dem vergangenen Sommer verkauft, das Buch handelt von einem Jungen, Frieder, und von seinem Kumpel Höppner. Frieder hat Schlaftabletten genommen und sagt: "Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschied." Die Jungs ziehen in eine Wohngemeinschaft, um die Dinge in den Griff zu bekommen, und Bov Bjerg erzählt davon, ohne Umstände und ohne dass es peinlich wird, wenn er den jungen Helden das Wort gibt.

Das Buch erschien im Juli 2015 und wurde von der Kritik lobend erwähnt, aber viel gelesen wurde es nicht. Erst als es vor Weihnachten im Fernsehen empfohlen wurde, und der Verlag anschließend einen Aufkleber anbrachte - "4:0 im Literarischen Quartett" -, ging es stapelweise weg. Fünf Monate hatte der Erfolg auf sich warten lassen. Und plötzlich war Bov Bjerg Bestsellerautor. Geändert habe sich dadurch "nicht viel", sagt der 51-Jährige, der schon vor Jahren einen vollkommen unbeachteten Debütroman vorgelegt hatte. Er werde nun von Menschen angesprochen, denen "Auerhaus" etwas bedeute. "Damit habe ich irgendwie nicht gerechnet", sagt Bjerg. "Das berührt mich immer wieder sehr."

Natürlich hat Bov Bjergs Verlag eiligst nachgelegt, nun ist ein Buch mit Geschichten erschienen, die der Autor in den vergangenen 20 Jahren verfasst hat. Bjerg ist Gründer verschiedener Lesebühnen, er hat Stücke für den Vortrag verfasst, das merkt man dem Band an. Die darin versammelten Geschichten zielen auf Pointen ab, und sie sind kurz, zuweilen sehr kurz - keine Seite lang -, man sollte das laut lesen, am Besten sogar vorlesen. "Man sollte immer laut lesen. Alles, nicht nur meine Geschichten", sagt Bjerg. "Gedruckter Text ist Konserve. Tot wie Dosenmilch." Gerade habe er im Urlaub seinen Kindern "Doktor Proktors Pupspulver" vorgelesen, erzählt er. Schon zum zweiten Mal. Das sei "übrigens nicht so blöd wie der Titel befürchten lässt".

"Mutter machte den Führerschein. Mit dem Führerschein konnte sie eine Arbeit außerhalb des Dorfes suchen, und mit dem Geld, das sie dort verdiente, konnte sie das Auto bezahlen", heißt es in der Titelgeschichte von Bjergs Buch, "Die Modernisierung meiner Mutter". Es handelt von Orten in der Provinz, an deren Einfallstraßen Kreisverkehre sind, in denen die Menschen langsam durchdrehen. Auf dem Kreisel stehen immer Skulpturen "örtlicher Künstler". "Immer ist es was Modernes, Abstraktes", schreibt Bjerg. "Der Künstler sagt: ,Sehgewohnheiten' und ,infrage stellen'." Bjergs Kunst ist es, solche Sätze in Geschichten zu kleiden, ohne aber die Figuren vorzuführen, der Autor nähert sich der Normalität maximal zugewandt. Das war, was "Auerhaus" besonders machte, und hier kann man nachlesen, wie Bjerg diesen Ton fand. Er schafft damit, was dem örtlichen Künstler nie gelingt. Er schärft den Blick.

Bov Bjerg "Die Modernisierung meiner Mutter", Blumenbar, 160 Seiten, 16 Euro

(kl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort