„Hohepriesterin des Soul“ Das vergessene Album der großen Nina Simone

Diese tolle Stimme! „Fodder On My Wings“ wurde 1982 aufgenommen. Nun kommt die Platte neu heraus. Wie schön.

 Die amerikanische Sängerin Nina Simone 1988 beim Jazzfestival in Juan-Les-Pin in ihrem Hotelzimmer. 

Die amerikanische Sängerin Nina Simone 1988 beim Jazzfestival in Juan-Les-Pin in ihrem Hotelzimmer. 

Foto: dpa

Manche Flaschenpost erreicht die Adressaten zur rechten Zeit, dieses Album ist der Beweis. 1982 nahm Nina Simone „Fodder On My Wings“ in Paris auf, die Platte erschien auf einem kleinen französischen Label und erreichte nur wenige Hörer. Nun gibt es eine Neuauflage, endlich. Am Freitag wird das Werk zum ersten Mal digital veröffentlicht, und man sollte es sich sofort besorgen und direkt das Stück hören, das den Albumtitel leicht abwandelt: „Fodder In Her Wings“. Simone berichtet darin von ihrer Reise durch die Welt, man fühlt sich wie in einem französischen Schwarz-Weiß-Film, und zwar in jener Szene, in der sich die Liebenden voneinander verabschieden – und dann beginnt es auch noch zu regnen. „Oh, how sad“, singt Simone, und traurig ist es tatsächlich. Aber gut traurig.

Nina Simone hatte eine der größten Stimmen der populären Musik, und mit dieser Stimme war es wie bei den Bäumen: Sie schien Jahresringe zu haben, man konnte an ihrer Krausung und Schartigkeit erkennen, wie Simones Leben zuletzt gewesen ist, und die vergangenen Jahre waren bloß so lala. Die Amerikanerin trieb rastlos durch Liberia, die Schweiz, die Niederlande und Frankreich, sie fand nirgendwo Ruhe und auch nicht die Liebe, und stattdessen war da nur Exzess.

Als Eunice Kathleen Weymon wurde sie 1933 geboren, hochbegabte Tochter einer Methodisten-Predigerin. Sie begann mit vier, Klavier zu spielen, und als sie 1954 ein Engagement als Pianistin in einem Nachtclub in New Jersey bekam, bat man sie: Sing doch auch! Man hätte uns keinen größeren Gefallen tun können, denn wegen dieses Satzes haben wir Klassiker wie „See-Line Woman“, „Strange Fruit“ und „I Put A Spell On You“. Nina Simone sang Stücke von Brel, Cohen, Dylan und Gershwin, und jedes klang, als wäre es für sie geschrieben worden.

Sie war die Sängerin der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, ihr „To Be Young, Gifted And Black“ wurde zur widerständigen Hymne, sie war die Hohepriesterin des Soul. Ihr Privatleben indes gelang nicht, ihre Plattenverträge brachten wenig Geld, und selbst als 1987 ihr Stück „My Baby Just Cares For Me“ zum Hit wurde, erreichte sie vom Gewinn kaum etwas. Nach langem Krebsleiden starb sie 2003 schließlich in Marseille, da hatte sie schon seit zehn Jahren keine Platte mehr aufgenommen.

Auf „Fodder On My Wings“ ist sie nun besonders persönlich, so intim wie selten, und das berührendste Lied ist „Alone Again“, das sie ihrem Vater widmet. „Als ich dich am meisten brauchte“, singt sie, „warst du längst ein Geist“. Das ist eine selbstbewusste Stimme. Melancholisch und einsam. Voluminös, ohne gravitätisch zu sein. In vielen Stücken gibt es neben dem Piano nur Percussion und Bass, das steigert die Intensität. Nina Simone spricht über die Zeitläufte hinweg zu uns. Man hört das unheimlich gerne.

Oh, so sad. Und so schön.

Info „Fodder On My Wings“ erscheint am Freitag digital. Als LP und CD dann am 29. Mai.

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