Tanz Wenn Nachrichten tanzbar werden

Im Tanzhaus NRW ist jetzt das Tanzexperiment von Performancekünstler Rabih Mroué zu sehen.

 In seinem neuen Stück kontrastiert Performancekünstler Rabih Mroué die Vieldeutigkeit im Tanz mit den Schlagzeilen aus Tageszeitungen.  Foto: Tanzhaus NRW

In seinem neuen Stück kontrastiert Performancekünstler Rabih Mroué die Vieldeutigkeit im Tanz mit den Schlagzeilen aus Tageszeitungen. Foto: Tanzhaus NRW

Foto: Tanzhaus NRW

Seine Performances sind politisch und beschäftigen sich meist mit der Lage im Libanon oder im Nahen Osten: Für Rabih Mroué, geboren in Beirut und aufgewachsen während des libanesischen Bürgerkrieges, gehören Kunst und Politik zusammen. Auch seine neue Produktion „You Should Have Seen Me Dancing Waltz“, die jetzt im Tanzhaus in einem Doppelabend mit "Elephant", ebenfalls von Mroué, gezeigt wird, befasst sich mit Gewalt, mit Katastrophen und Politik. Und sie geht der Frage nach, wie das aktuelle Tagesgeschehen den Körper und die Bewegungen eines Tänzers beeinflusst.

Ein komplexes, aber auch persönliches Stück, in der die Tänzer nicht nur Teil der Performance sind, sondern sie auch beeinflussen und mitgestalten. „Wenn ich Nachrichten lese, passiert etwas in mir, je nachdem, wie ich diese Information interpretiere“, sagt Anna Herrmann, eine der drei Performer. In den Proben zum Stück habe Mroué die Tänzer zunächst mit einer Information konfrontiert, die tänzerisch ausgedrückt werden sollte. „Obwohl wir alle drei dieselbe Information bekommen haben, sah jede unserer Interpretationen anders aus.“ Die Art und Weise, wie die einzelnen Tänzer die Informationen tänzerisch ausgedrückt haben, ist in die Performance eingeflossen, natürlich von Mroué editiert und ausgefeilt. „Wir konnten alle mit entscheiden, in welche Richtung sich das Stück bewegen wird. Das ist eine noch viel kreativere Arbeit, als nur Performer zu sein“, sagt sie.

In seinem Stück stellt Mroué zwei Medien gegenüber: den Tanz als abstraktes Ausdrucksmittel und die aktuellen Nachrichten, die von Tageszeitungen oft auch eingeordnet verbreitet werden. „Es gibt immer eine Aufteilung in schwarz und weiß, gut und schlecht“, sagt Herrmann. In der Kunst und insbesondere im Tanz sei das ganz anders, es gebe weder Richtig noch Falsch, und somit die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie gedeutet und gelesen wird. Mroué möchte so zeigen, inwiefern der Tanz das Politische beeinflusst. Manchmal entstehe ein Zusammenspiel, manchmal passiere aber auch gar nichts.

Außergewöhnlich ist nicht nur das Sujet des Stückes, sondern auch die Besetzung: Im Dance On Ensemble sind alle Tänzer über 40 Jahre alt. So möchten sie die Idealisierung der Jugend hinterfragen, die unsere Kultur beherrscht. „Tänzer sind davon besonders betroffen, denn es wird erwartet, dass sie mit 40 Jahren von der Bühne abtreten“, erklärt Hermann. Sie selber hat jahrelang in Kompanien getanzt, in denen es ähnlich zuging.

Die 41-Jährige arbeitet nun als freischaffende Tänzerin und merkt, dass ihr das viel besser gefällt. Zum einen, weil sie so kreativer arbeitet, Schauspiel und andere Ausdrucksformen nutzen kann. Aber auch, weil sie niemandem beweisen muss, dass sie mit den jungen Tänzern mithalten kann. Theoretisch wäre das zwar möglich – „es erfordert in meinem Alter allerdings viel mehr Zeit und Disziplin“.

Schlimm findet sie das nicht, im Gegenteil. Erst im Alter habe sie gelernt, ihren Körper richtig einzusetzen. Früher sei sie oft übereifrig gewesen, habe sich oft verletzt. „Ich wollte jede Bewegung so intensiv wie möglich fühlen. Jetzt weiß ich, dass weniger mehr ist.“ Auch im Dance On Ensemble herrsche diese Gelassenheit, die durch Lebenserfahrung und emotionale Tiefe entstehe. „Wir bewegen uns so wie wir uns bewegen, zu diesem Zeitpunkt in diesem Leben.“

Info Das Stück steht am 28. und 29. Februar um 20 Uhr auf dem Spielplan. Karten gibt es unter www.tanzhaus-nrw.de

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