Konzert in Köln Patti Smith: „Schenkt Angela Merkel Euer Mitgefühl!“

Köln · Bei einem Konzert auf der Kölner Domplatte bekam die US-Sängerin nicht nur Besuch von Kollegin Joan Baez. Sie forderte die Deutschen auch auf, mehr Enthusiasmus für die Bundeskanzlerin zu entwickeln.

 Die Sängerin Patti Smith

Die Sängerin Patti Smith

Foto: dpa/Rmv

„Ich war ein Flügel im blauen Himmel“, singt Patti Smith in „Wing“, dem ersten Song ihres Konzerts, „und ich war frei“. Die Blicke der knapp 5000 Besucher auf der Domplatte schweifen über die Bühnendecke nach oben, an der Fassade der gewaltigen Kathedrale entlang bis in den blauen Sommerabendhimmel, wo ein Vogel seine Kreise zieht. Die ersten Schauer laufen über den Rücken: Was für eine Kulisse! Was für ein Sound! Was für ein Mensch!

Rechts wird das Bühnenareal vom Römisch-Germanischen Museum begrenzt, und irgendwie passt auch das, weil die 71-Jährige schon zu Lebzeiten selbst Geschichte geworden ist. Sie hat sich in den 1970er-Jahren von der Beat-Poetin zur Rock-, Punk- und New-Wave-Ikone entwickelt, zur Kämpferin für die Frauenbewegung und für Hippie-Werte wie Frieden, Liebe und die Gemeinschaft aller Menschen. Doch Patti Smith will und darf noch nicht ins Museum, ihre Mission ist noch nicht beendet.

Vor ihrem dritten Song, „Dancing Barfoot“ stimmt sie eine Lobeshymne auf die friedensbewegte Folk-Ikone Joan Baez an: „Sie hatte einen riesigen Einfluss auf mich und ich bin traurig, dass ich ihr Konzert morgen nicht erleben kann.“ Die Band steigt in den Song ein und dann geschieht das Wunder: Joan Baez kommt von der Bühnenseite, zieht ihre Sandalen aus, umarmt Patti Smith von hinten und beide schwingen während der ersten Strophe zur Musik. Die Besucher – auch viele junge Menschen sind gekommen – können es kaum fassen, springen von ihren Stühlen auf und jubeln für zwei Frauen mit weithin leuchtenden weißen Haarschöpfen, die ihnen noch so viel zu sagen haben.

Zum Beispiel, dass man in Deutschland ruhig ein wenig stolz sein könne auf Kanzlerin Angela Merkel: „Sie steht sehr tapfer, aber allein in einem großen Kampf um Menschlichkeit“, ruft Patti Smith. „Schenkt ihr euer Mitgefühl!“

Die barfüßige Tanzeinlage bleibt nicht Joan Baez‘ einziger Gastauftritt: Für den Bob-Dylan-Song „A Hard Rain’s Gonna Fall“ kommt sie zurück, singt die zweite Stimme, und wieder muss man an die Pop-Geschichte denken: Joan Baez war einst die Geliebte Bob Dylans, als beide noch ungebrochen für die Folk- und Friedensbewegung standen. Und Patti Smith hat genau diesen Song auf der Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan in Abwesenheit des Künstlers gesungen – und sich versungen, weil sie so ergriffen war von der Größe des Ereignisses. In Köln ist vor allem das Publikum ergriffen: von einer großartigen Frau, die so viel Liebe und Mitgefühl ausstrahlt wie Kampfgeist. Alle ihre Worte, Gesten und Klänge sagen: „Und jetzt geht hinaus und macht diese Welt zu einer besseren!“

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