Cancan und Champagner Die berühmteste Mühle der Welt
Köln · Seit November gibt es eine rote Mühle am Rhein. Das Musical Moulin Rouge holt im umgebauten Musical Dome den Lifestyle des legendären Nachtclubs von Paris nach Köln. Doch wann entstand das Original und was kostet ein Besuch heute? Und warum bricht das Revue-Theater so viele Rekorde?

Das berühmteste Kabarett der Welt
Kleine Geschichte der roten Mühle
Auf dem Montmartre weht seit jeher ein anderer Wind: Der Märtyrer-Hügel – wenn man seinen Namen aus dem Französischen übersetzen wollte – ist die höchste Erhebung von Paris. Deshalb siedelten sich dort etliche Getreide- und Mais-Mühlen an. Gut 30 (echte) Mühlen soll es gegen Ende des 19. Jahrhunderts in dem einstigen Dorf nahe Paris gegeben haben.
Am 6. Oktober 1889 kam eine besondere Mühle hinzu: das Moulin Rouge. Rein zufällig war das Viertel Montmartre damals eine alkoholsteuerfreie Zone. Joseph Oller und Charles Zidler gründeten das Revue-Theater, das die Nachbildung einer roten Mühle auf dem Dach trägt, denn nichts Anderes heißt der frivol klingende Name „Moulin Rouge“ übersetzt: rote Mühle. Ihre komplett elektrifizierte Fassade – eine der ersten ihrer Zeit – leuchtete in den Abendstunden vor Showbeginn, wurde zu einem der Wahrzeichen von Paris.
1889 war ein besonderes Jahr: Die Welt war in Bewegung, lebenslustig, sorglos. Die feierfreudige Ära der Belle Époque brach an. Die industrielle Revolution nahm ihren Lauf, der Glaube an den Fortschritt – gigantisch. Paris bereitete sich auf die Weltausstellung vor. Der Eiffelturm wurde gebaut. Dazu passte ein mondäner, extravaganter Nachtclub. Dort trafen und tummelten sich die Reichen, die Armen, die Adeligen, die Bürger, die Künstler, Lebenskünstler, die Ehrgeizigen, die Lebenslustigen aus Paris und aus der ganzen Welt. Im Moulin Rouge wurde getanzt, gelacht, gefeiert und auch getrunken. Vorzugsweise Champagner.
Das Revue-Theater heute
Seit 134 Jahren drehen sich die Flügel der roten Mühle. Sie zählt mit dem Eiffel-Turm, der Kathedrale Notre Dame und dem Louvre zu den großen Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt. Rund 600.000 Menschen besuchen das Moulin Rouge jährlich. Der Zuschauerraum fasst 850 Menschen. 80 Künstlerinnen und Künstler arbeiten dort. Es gibt pro Abend zwei Shows: eine um 19 Uhr mit mehrgängigem Dinner (ab 205 Euro, vom Restaurantführer Gault&Millau empfohlen) und eine um 23 Uhr (ab 115 Euro). Eine halbe Flasche Champagner ist in vielen Tickets inklusive. Das Haus am Boulevard de Clichy mit eigenem Weinkeller im Untergeschoss gilt heute als größter Einzelabnehmer von Champagner in der Welt mit rund 240.000 Flaschen pro Jahr. An einem Showabend werden bis zu 800 Flaschen getrunken.
Höhen und Tiefen hat das legendäre Variété erlebt. Es war und ist ein Party-Mekka, luxuriös und elegant. Ein Tanz und ein Maler sind mit dem Pariser Etablissement verbunden: der Cancan und Henri de Toulouse-Lautrec. Natürlich tauchen beide auch im Kölner Musical auf.
Der berühmte Tanz
Der Cancan ist von der Eröffnung des Amüsiertempels an der Tanz der Tänze. Inspiriert vom Gruppentanz, der Quadrille, entstand die flotte, französische Formation im Zwei-Viertel-Takt um 1930. Erst war sie ein exzentrischer Gesellschaftstanz, mutierte dann aber zum Bühnenschautanz der Revue-Theater. Die berühmteste Musik dazu lieferte 1858 Jacques Offenbach in seiner Operette „Orpheus in der Unterwelt“ (1958). Weil man den Tänzerinnen bei den hohen Beinwürfen und Spagatsprüngen unter die Rüschenröcke schauen konnte, wurde der Cancan zwischenzeitlich polizeilich verboten. Beliebt blieb er.
Der Cancan ist das Markenzeichen des Moulin Rouge. Die Doriss-Girls bringen ihn nicht nur mit Federn, Strass und Glitzer auf die Bühne, sondern brechen regelmäßig Rekorde: Zum 125. Jubiläum des Etablissements, 2014, warfen die Tänzerinnen des Moulin Rouge ihre Beine 29 Mal in 30 Sekunden in die Luft. Das war einen Eintrag ins Guiness-Buch wert. Weitere Rekorde: 36 Spagatdrehungen in 30 Sekunden und 30 Positionierungen eines Beins hinter dem Kopf in 30 Sekunden.
In den Anfangsjahren des Moulin Rouge bezauberte die Tänzerin La Goulue – übersetzt „die Gefräßige“ – die Zuschauer mit ihrem Cancan. Mit bürgerlichem Namen hieß sie Louise Weber. Sie begann ihre Karriere im Nachtleben von Paris mit 14 Jahren. Davor war sie Wäscherin. La Goulue war Publikumsliebling in der Mühle; unsterblich hat sie der Maler Henri de Toulouse-Lautrec gemacht, der sie auf mehreren Plakaten verewigt hat.
Der berühmte Maler
Toulouse-Lautrec – ein junger und aufgrund einer Erbkrankheit kleinwüchsiger Adeliger – lebte und malte am Montmartre. Seine Bilder zählen zum Post-Impressionismus. Er führte ein Leben als Bohémien, besuchte Variétés, Cafés und Vergnügungsstätten. Seine Arbeiten zeigen ein authentisches Bild vom Leben am Montmartre während der Belle Epoque. Im Moulin Rouge war er regelmäßig zu Gast. Für das Revue-Theater entwarf er mehrere Plakate, wie „La Goulue“ (1891), Jane Avril (1892), Aristide Bruant (1892), „Ball im Moulin Rouge“ (1890). Im Forum des Musical Dome sind aktuell Nachbildungen seiner Plakate zu sehen.
Stars in der Mühle
Yvette Guilbert, Jane Avril, Le Pétomane und Mistinguett gehören zu den bekannten Tänzerinnen und Tänzerin in dem Variété. Romanautorin Colette stand dort auf der Bühne, Jean Gabin, die Chanson-Sänger Charles Trenet und Charles Aznavour, Gina Rogers, Dalida, Village People, Zizi Jeanmaire, aber auch Hollywood-Größen wie Dean Martin, Jerry Lewis, Liza Minelli.
Die deutsche Tänzerin Doris Haug wurde in den 1960er-Jahren zum Star des Nachtclubs. Später arbeitete sie als Choreografin an den spektakulären Shows, unter anderem am aktuellen Programm „Féerie“. Nach ihr sind die Tänzerinnen, die Doriss-Girls, benannt, die jeden Abend den Cancan tanzen.
Der Elefant
In Vergessenheit geriet eine bau-stilistische Besonderheit des Moulin Rouge: der Elefant. Er, ebenfalls erbaut zur Weltausstellung und Deko-Stück der Belle Époque, zierte einst den Lustgarten des Moulin Rouge. Die Geschäftsführer des Etablissements schufen seinerzeit in seinem Inneren eine Bühne, auf der Bauchtanz für die männlichen Besucher gezeigt wurde. Der Film „Moulin Rouge“ (2001) von Baz Luhrmann mit Nicole Kidman und Ewan McGregor lässt den Elefanten als Boudoir der tragischen Heldin Satine wiederaufleben. Mit ihm gibt es im Kölner Musical ein Wiedersehen.