Papst Franziskus Die stille Geste des Papstes im Heiligen Land

Bethlehem · In Bethlehem betet Papst Franziskus an der Mauer, die Israel von den palästinensischen Gebieten trennt, und fordert einen Palästinenser-Staat.

Papst Franziskus betet an Klagemauer
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Papst Franziskus betet an Klagemauer

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Foto: ap

Es ist noch nicht zehn Uhr, da gibt der Papst das Zeichen zum Halt. Das weiße Papamobil, auf dem Papst Franziskus in Bethlehem einfährt, kommt in einem der Vororte zum Stehen. Aus Lautsprechern dröhnt die palästinensische Propaganda. Franziskus steigt herab und läuft zu Fuß auf die graue Mauer zu, die sich hier acht Meter hoch erhebt. "Free Palestina" hat jemand mit roter Farbe auf den Wall gesprüht. Der Papst, umringt von Schaulustigen, Leibwächtern und Fotografen, hält inne. Er stützt seine rechte Hand gegen die Mauer, kurz darauf lehnt er im Gebet kurz auch sein Haupt an den Beton. Es ist die erste große und außerplanmäßige Geste dieser Reise ins Heilige Land.

Heute, am letzten Tag seines dreitägigen Besuchs in Jordanien, den Palästinensergebieten und Israel, betet Franziskus auch an der berühmten Klagemauer in Jerusalem. Doch es ist das Bild aus Bethlehem, das stärker wirken wird: der trauernde Papst am israelischen Schutzwall, an der Barriere, die der Staat Israel aus Sicherheitsgründen gegen die Palästinenser errichtet hat.

Als Pilgerreise im Heiligen Land hatte der Vatikan die Reise angekündigt. Zur Unterstützung der immer weniger werdenden Christen in der Region und zur Versöhnung der streitenden Völker und Religionen. Gestern wurde deutlich, dass Franziskus dort vor allem einen politischen Drahtseilakt wagt. Während es am Samstag in Jordanien bei König Abdullah und an der mutmaßlichen Taufstelle Jesu am Jordan noch ruhig zugeht, knistert es am Sonntag von Beginn an. Morgens die Begegnung mit dem Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas, am frühen Abend das Treffen mit Israels Präsident Schimon Peres und Premier Benjamin Netanjahu in Tel Aviv. Abbas und Peres lädt der Papst zu einem gemeinsamen Gebetstreffen für den Frieden ein. "Ich biete hierfür mein Haus im Vatikan an", sagt Franziskus. Beide nehmen das Angebot an.

Am Vormittag in Betlehem zeigt der Papst den Palästinensern Verständnis und Nähe. In einer Messe auf dem Krippenplatz von Betlehem spricht er offen vom "Staat Palästina", ein Tabu für Israel. Dass er zuerst in den Palästinensergebieten ist und erst anschließend nach Israel reist, gilt vielen als Politikum. "Ich verstehe eure Botschaft", sagt Franziskus an 100 palästinensische Flüchtlingskinder gerichtet, die ihn deutlich auf ihre Lage hinweisen. Als der Papst ihnen in einem Camp begegnet, halten sie vorgefertigte Schilder in die Luft: "Es reicht mit der Besatzung!" oder "Wir haben noch nie das Meer gesehen", ist dort zu lesen. Kurz darauf die Begegnung mit Peres und Netanjahu am Flughafen von Tel Aviv. Franziskus verweist explizit auf das Existenzrecht Israels, erwähnt den Holocaust und spricht sich gegen jede Form von Antisemitismus aus. Er unterstreicht aber auch das Recht der Palästinenser auf einen souveränen Staat. Mit "Shalom", also Frieden, schließt Franziskus seine Ansprache, bevor der Helikopter ihn nach Jerusalem fliegt.

Auch dort gibt es Spannungen. Am gestrigen Abend trifft sich Franziskus in der Jerusalemer Grabeskirche mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios und Vertretern anderer Konfessionen zum Gebet. Das Treffen, vor dem der Papst und der Patriarch eine gemeinsame Erklärung unterschrieben, findet in Erinnerung an die historische Begegnung zwischen Paul VI. mit dem Patriarchen Athenagoras 1964 statt, das als eine erste Geste der Versöhnung nach knapp 1000 Jahren Spaltung der Kirchen Roms gilt.

Jüdische Extremisten protestierten im Vorhinein gegen den für Montagabend geplanten Besuch des Bergs Zion in Jerusalem. Franziskus will dort zum Abschluss seiner Reise eine Messe im sogenannten Abendmahlssaal feiern. Juden beten hier am Grab des biblischen Königs David.

(RP)
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