Die Pannen der Promis Charmante Missgeschicke
Düsseldorf · Kleine Pannen lösen nicht automatisch Spott und Häme aus. Im Gegenteil: Je kompetenter eine Person, desto nahbarer wirkt sie durch Fehler. Das ist wissenschaftlich bewiesen und zeigt sich an vielen Beispielen im Alltag.
Missgeschicke, Pannen Patzer – sie sind jedem und jeder schon einmal passiert. Und sie werden wieder passieren. Garantiert. Manche davon sind derart peinlich, dass man am liebsten im Boden versinken möchte, und am allerschlimmsten sind jene, die einem coram publico unterlaufen. Dann ist sie da: die heiße Angst, sich zur Zielscheibe von Hohn und Spott gemacht zu haben. Aber seltsamerweise passiert mitunter genau das Gegenteil: Die Blamage löst eine Welle der Sympathie aus.
So zuletzt geschehen am vergangenen Mittwoch im ARD-Morgenmagazin: „Tagesschau“-Sprecherin Susanne Daubner gerät durch eine launige Überleitung ihres Teams Anna Planken und Sven Lorig bei der ersten Nachricht aus dem Tritt. Schon bei der Begrüßung kann sie sich das Lachen nicht verkneifen. Nach einem „Entschuldigung“ hebt sie neu an, doch der Lachflash ist stärker. Dabei gilt es, über ein ernsthaftes Thema zu berichten: Kanzler Scholz und den Chemiegipfel. Beim nächsten Anlauf muss sich Daubner schon die Tränen aus den Augen wischen. Die Reaktion in den sozialen Medien ist nur positiv. Eine Reihe von Facebook-Nutzern schrieben, sie hätten spontan mitlachen müssen.
Susanne Daubner gehört seit 1999 zu den Gesichtern der „Tagesschau“. Kompetenz, Seriosität, Selbstbeherrschung sind unabdingbar in diesem Job, und Daubner hat diese Qualitäten unzählige Male vor der Kamera bewiesen. Mit einem der Lage angemessenem Ernst informiert sie routiniert ein Millionenpublikum. Was macht ihren Ausrutscher so charmant, der sie irgendwie nahbarer, einnehmender, gewinnender erscheinen ließ?
Experiment Wissenschaftler der Universität Salzburg gingen kürzlich der Frage nach, wie sich betagte Menschen besser mit Robotern anfreunden könnten, die ihnen bei der Betreuung helfen.
Ergebnis Die Maschinen wurden als sympathischer empfunden, wenn sie hie und da stotterten oder sich ungeschickt verhielten. Die Probanden hielten solche Exemplare nicht einmal für dümmer als einwandfrei funktionierende Sozial-Roboter.
Das paradoxe Phänomen, dass eine kompetente Person sympathischer wirkt, wenn ihr Missgeschicke unterlaufen, hat der US- Psychologe Elliot Aronson schon in den 60er-Jahren beobachtet und als „Pratfall“ (Reinfall)-Effekt wissenschaftlich belegt. Aronson spielte zwei unterschiedlichen Gruppen von Versuchspersonen Tonbänder vor, in denen Menschen komplizierte Quizfragen beantworten mussten. Nur eine dieser beiden Gruppen wurden dabei Aufnahmen präsentiert, auf denen neben der Beantwortung der Fragen auch deutlich das Umfallen einer Kaffeetasse zu hören war. Danach wurden bei beiden Gruppen die Sympathiewerte der Personen, die auf dem Tonband zu hören waren, abgefragt.


Das Ergebnis war in mehrfacher Hinsicht verblüffend: Waren fast alle Antworten richtig, dann erhöhte das Umwerfen der Kaffeetasse die Sympathie gegenüber der befragten Person merklich. Konnte jemand hingegen nur 30 Prozent der Fragen korrekt beantworten, so verringerte das Malheur sein Ansehen zusätzlich. Ein Missgeschick lässt demnach einen ansonsten schon beinahe unrealistisch perfekt erscheinenden Menschen sympathischer erscheinen. Eher durchschnittlich kompetent wirkenden Personen droht hingegen bei Patzern der Abzug von Sympathiepunkten.

Die lustigsten Momente bei „Tagesschau“ und „Tagesthemen“
Nachrichtensprecher und -sprecherinnen sind auch nur Menschen, ihnen passieren dieselben Fehler, vor denen auch wir nicht gefeit sind. Unzulänglichkeiten verbinden. Sie bauen Distanz ab – und einen selbst auf. Und sie machen milde. Genau wie jenes Detail aus einer „Tagesthemen“-Sendung vor vier Jahren: Als Caren Miosga nach rund 20 Minuten für den Nachrichtenblock an Susanne Daubner übergab und die Kamera mitschwenkte, zog neben den beiden Moderatorinnen noch eine weitere Sache die Blicke der Zuschauer auf sich: ein einsames Paar Damenschuhe. Offensichtlich hatte eine der beiden sich zum Barfußmoderieren entschieden, ihr Schuhwerk allerdings nicht gut genug versteckt.
Ganz frisch ist der Fauxpas von Helene Fischer, die mitten im Konzert den Text eines ihrer bekanntesten Lieder vergisst: Ende August heizt sie in der Kölner Lanxess-Arena den Fans ordentlich ein. Als die 39-Jährige ihren Cover-Hit „Regenbogenfarben“ anstimmen will, hat sie einen Blackout, die Worte wollen ihr partout nicht einfallen. „Wir fangen noch mal an. Wir spielen hier ja live und drehen einfach mal ein bisschen zurück“, versucht sie zu scherzen. Doch auch der zweite Anlauf gerät holprig. Dann aber fängt das Publikum an, das Stück laut zu singen, Fischer kann sich von der Menge tragen lassen, alle sind glücklich, im Netz wird der Texthänger gefeiert.
@josimelonie Wie kann man so sympatisch einen Texthänger haben? @Helene Fischer 💗💗 #helenefischer #konzert #tour #textpatzer #live #regenbogenfarben
♬ Originalton - josimelonie
Auch Robert Kelly wird nicht geahnt haben, auf welche Weise er einmal Berühmtheit erlangen sollte: Millionenfach wurde der 43 Sekunden lange YouTube-Clip angeklickt, der den Moment einfängt, als Kellys kleine Kinder während eines Video-Interviews des britischen Senders BBC plötzlich hinter ihm ins Zimmer platzen und den Korea-Experten unterbrechen. Dem US-Professor war die Szene im höchsten Maße peinlich, er entschuldigte sich mehrfach beim Moderator, konnte aber amüsiert feststellen, dass er als „BBC-Dad“ Kultstatus erlangte hatte. „Es ist nur irgendwie lächerlich, dass ich als jemand, der sich mit Nordkorea und der Sicherheit in Asien beschäftigt, berühmt wegen meiner Kinder bin“, ärgerte er sich später einmal.

Doch Verständnis und Sympathie können in Spott und Häme umschlagen, wenn – siehe Pratfall-Effekt – der oder die Betreffende ohnehin nicht als sonderlich kompetent erscheint. Das musste etwa der damalige SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping erfahren, der im Juni 2000 mit der Bundeswehr-Ministermaschine zum Gipfel nach Lissabon fliegen wollte. Crew und Begleiter kletterten an Bord, die Türen schlossen sich, der Jet hob ab. Irgendwann fragte jemand: „Wo ist denn eigentlich der Rudolf?“. Sogar unter den Genossinnen und Genossen soll es Schadenfreude gegeben haben.
Nicht immer ist Lachen Kontrollverlust in seiner schönsten Form. Armin Laschet hat das auf die harte Tour erfahren, als das Foto publik wurde, das den damaligen NRW-Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten der Union lachend während einer Rede des Bundespräsidenten im NRW-Flutgebiet 2021 zeigt. Falscher Ort, falsche Zeit. Die Umfragewerte der CDU im Bundestagswahlkampf brachen ein. Obwohl Laschets Gesichtsausdruck in keinem Zusammenhang mit Frank-Walter Steinmeiers getragenen Ausführungen stand, wurde er ihm als Mangel an Kompetenz ausgelegt.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck schließlich durfte noch im April 2020 auf ähnlich wohlwollende Reaktionen bauen wie Professor Kelly, als sein halbwüchsiger Sohn halbnackt in ein Live-Interview platzte. Amüsiert verfolgten die Zuschauer Habecks Kommentar „Du bist jetzt voll im Fernsehen!“ Würde er heute dieselbe Heiterkeit ernten?