Tanztheater Wuppertal Der Weg in die Unterwelt

Wuppertal · Zeitlos schön und bewegend ist die Neueinstudierung von Pina Bauschs Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ im Wuppertaler Tanztheater. Für einen Moment scheint die ewige Liebe möglich.

 Pau Aran Gimeno (r.) und Daria Pavlenko in „Orpheus und Eurydike“ in Wuppertal.

Pau Aran Gimeno (r.) und Daria Pavlenko in „Orpheus und Eurydike“ in Wuppertal.

Foto: Pau Aran Gimeno, Daria Pavlenko copyright Jochen Viehoff

Amor zieht einen Kreis auf dem Boden. Er ist das Sinnbild des Abends: der ewige Kreislauf des Lebens aus Werden und Vergehen. Denn alles ist endlich – auch die Liebe. Das muss Orpheus schmerzlich erfahren. Eurydike ist tot, wie ein Erinnerungsbild oder Mahnmal steht eine Braut ganz in Weiß mit roten Rosen hoch auf einer Säule. Ein entwurzelter Baum liegt quer über der Bühne. Alle sind in Trauer vereint, Tänzer und Sänger, wenn Christoph Willibald Glucks ergreifende, mehr als 250 Jahre alte Musik einsetzt. In Wuppertal gibt es nun, erstmals seit fast 30 Jahren, Pina Bauschs Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ zu sehen. Die Neueinstudierung beweist, wie zeitlos schön und bewegend dieser Rausch der Bilder der Wuppertaler Choreografin heute noch ist.

Das liegt auch an Bauschs Idee, Tänzer und Sänger in den beiden Hauptrollen zu doppeln, beide Paare auf der Bühne agieren zu lassen. So ergeben sich prägnante Konstellationen und Parallelen zwischen dem Tänzerpaar (Pau Aran Gimeno/Daria Pavlenko) und den Sängern (Valer Sabadus/Norao Intxausti), die gemeinsam den Weg in die Unterwelt beschreiten. Michael Hofstetter leitet souverän das Sinfonieorchester Wuppertal und den Opernchor der Wuppertaler Bühnen, der von den Balkonen herabsingt und so ein raumgreifendes Erlebnis schafft.

„Tanzoper“ nannte Pina Bausch ihr 1975 uraufgeführtes Werk, neben „Iphigenie auf Tauris“ das einzige, das sie auf eine Musik choreografierte. Glucks „Orpheus und Eurydike“ verdichtet sie, indem sie Ouvertüre und Ende streicht. Bei ihr geht es mitten hinein in die Trauerszene, eine von vielen mitreißend choreografierten Ensembletänzen. Raumgreifende Armbewegungen beschreiben den Kreis, die Körper dehnen sich, doch immer folgt auch die Gegenbewegung. Spannung und Entspannung sind hier wie Hell und Dunkel, Liebe und Leid untrennbar miteinander verbunden. Wobei sich Bauschs Bewegungsvokabular hier deutlich von ihren späteren Choreografien unterscheidet: Hier sieht man noch ihre Wurzeln im Modern Dance, geprägt durch ihre Studienjahre in Essen und Amerika.

Orpheus ist die Trauer um seine Geliebte in jede Faser seines fast nackten Körpers eingeschrieben, ein Schmerzensmann durch und durch. Dazu passt der glasklare Countertenor von Valer Sabadus. Amor (Emily Castelli) führt Orpheus leicht und bezaubernd ins Totenreich. Die blinden Geister werden bewacht von Furien, martialisch wirkenden Männern in Lederschürzen, die mit ihren raumgreifenden Sprüngen und Drehungen die Menge aufmischen. Die düsteren Bilder scheinen hier direkt aus dem Unterbewusstsein hochgespült.

Erst später erscheint Eurydike (Daria Pavlenko) im roten Kleid. Mit Orpheus entsteht ein ergreifendes Pas de deux ohne Blickkontakt. Die ewige Liebe scheint möglich – nur für einen Moment. Wunderschön und gleichzeitig todtraurig inszeniert Pina Bausch die Sterbeszene als Doppelung zwischen Tänzern und Gesangssolisten. Am Ende sind alle tot und – Achtung Spoiler – bleiben es hier auch.

Aufführungen bis 18. April, Tickets unter pina-bausch.de

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