Mönchengladbach "NRW verschenkt sein einzigartiges Profil"

Mönchengladbach · Susanne Titz, Leiterin des Abteiberg-Museums in Mönchengladbach, über das Kulturgut Kunst.

Als Ende 2014 ohne Vorwarnung zwei Warhol-Werke aus der ehemaligen WestLB-Sammlung in den USA veräußert wurden, führte Susanne Titz den Protest der deutschen Museumsdirektoren an, die sich gegen einen Ausverkauf von Kunstsammlungen des Landes aussprachen. "Tragisch" und "kurzsichtig" nennt die Direktorin des Mönchengladbacher Museums Abteiberg diese Vorgänge auch heute noch. Sie bewertet die spektakuläre Auktion als "einen kulturpolitischen Systemfehler", weil man als Land Werke, die man mal angeschafft hat, nicht zur Tilgung von Schulden veräußern dürfe.

"NRW verschenkt sein einzigartiges Profil", sagt Titz, dabei gingen wichtige Strukturen kaputt. Das Land habe eine kritische Situation erreicht. Es sei als Kulturland kaum noch überregional wahrnehmbar. "NRW hat nach dem Krieg Kunstgeschichte geschrieben und sie mit den öffentlichen Sammlungen für das kulturelle Gedächtnis gesichert. Die Politik hatte nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Vision: Kunst und Kultur als Motoren im Bewusstsein der Gesellschaft." Wir müssten uns heute ernsthaft fragen, sagt Titz, ob das noch gilt in Nordrhein-Westfalen.

Immerhin haben die Proteste etwas bewirkt. Die für Kultur zuständige Ministerin - damals noch Ute Schäfer (SPD) - berief eine Kommission von Kunsthistorikern ein, die künftige Fälle verhandeln, bewerten und womöglich verhindern soll. Überhaupt ist die Sensibilität für das Thema Kunstverkauf in Deutschland gestiegen. Und doch ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mit ihrem inzwischen mehrfach überarbeitetem Gesetzentwurf in nahezu allen Bereichen der Kunst auf großen Protest gestoßen. Der Künstler Georg Baselitz etwa zog spontan, wenn auch womöglich überstürzt, seine Leihgaben aus dem Dresdner Museum ab.

Und Kunsthändler sagen, das Gesetz beschneide die Freiheit des Handels in unzumutbarer Weise und greife massiv negativ international in die Wettbewerbssituation ein. Selbst Museen warnen davor, dass der bürokratische Aufwand sowie die Kontrolle bei Ausfuhrabsichten auf unangemessene Weise erhöht werde.

Susanne Titz sagt, das Kulturgutschutzgesetz sei von seinem ersten Entwurf an falsch diskutiert worden. "Man konnte fast den Eindruck gewinnen, die Politik plane eine Enteignungsaktion. Dabei ist es nicht so gefährlich, wenn ordentlich gehandelt wird." Wie in anderen Ländern solle man auch in Deutschland ein Vorkaufsrecht für besonders identitätsstiftende Kunst diskutieren, wenn der Staat dann abwinkt, dann sollte ein Bild auch freigegeben werden.

Im Museum wähnt Susanne Titz die Kunst als geschützt, das sei auch schon der Fall vor Inkrafttreten des umstrittenen Grütters-Gesetzes gewesen. "Bei uns sind die Werke öffentlicher Besitz", sagt Titz, die am Abteiberg über eine hervorragende Sammlung verfügt. Diese könne das Museum auch aus seiner Geschichte heraus niemals hergeben, denn sie ist es, die neben der einmaligen Architektur von Hans Hollein magnetische Wirkung auf Besucher von weit her ausübt.

Doch sind es nur bedingt Besucherzahlen, die für Titz die Güte eines Museums ausmachen. Selbstverständlich ärgert sie sich, wenn im Gästebuch über mangelnde Werbung, über schlechte Parkmöglichkeiten oder zu wenig Anbindung an die Stadt gemeckert wird. An all diesen Punkten wird gearbeitet, seit Titz vor elf Jahren in Mönchengladbach angetreten ist. Im Moment wähnt sie sich glücklich, Gegenstand internationalen Interesses zu sein. "Die Zeit der Postmoderne ist immer nur ästhetisch wahrgenommen wurden, jetzt rückt das Gesellschaftspolitische wieder in den Mittelpunkt."

In Hans Holleins Museum hat man vor mehr als 30 Jahren erstmals die Kunst auf den Boden gestellt, sie vom Sockel genommen, man hat labyrinthisch die Räume angeordnet, so dass der Besucher aktiviert und zu einem neuartigen Sehen angeregt wurde. Das ist heute noch gültig; in einer "Zeit, in der wieder viel über Gegenwart und Zukunft der Museen diskutiert wird", rückt das Modellhafte des Museums Abteiberg sogar in den Fokus internationaler Forschung.

(RP)
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