Kulturtipps fürs Wochenende Höhenausflüge – zwischen Himmel und Hölle

Service · Die Kulturtipps zum Wochenende gehen diesmal hoch hinaus. Sie führen in die Rauminstallation „In Orbit“, hinauf zu den sphärischen Klängen von Ben Böhmer im Heißluftballon über Kappadokien und auf den Mount Everest mit Jon Krakauer.

 Musikproduzent Ben Böhmer legte im Heißluftballon über Kappadokien (Türkei) auf.

Musikproduzent Ben Böhmer legte im Heißluftballon über Kappadokien (Türkei) auf.

Foto: Screenshot aus "Ben Böhmer live above Cappadocia in Turkey for Cercle"

Von Sabine Janssen

 Schwerelos im Ständehaus: die Rauminstallation „In Orbit“ im K 21.

Schwerelos im Ständehaus: die Rauminstallation „In Orbit“ im K 21.

Foto: Federico Gambarini

„In Orbit“ Mut braucht es für diese außergewöhnliche Klettertour. Ein echter Alpinist würde bei 25 Meter Höhe vielleicht lachen, aber es geht bei diesem Höhenausflug hinauf in die Glaskuppel des K 21 Ständehauses – getragen von einer fast durchsichtigen Konstruktion. Im K 21 am Grabbeplatz hat der argentinische Künstler Tomàs Saraceno seine fast durchsichtigen Stahlnetze ausgeworfen und zu einer grandiosen Rauminstallation verknüpft. Sie verbindet das Oben und Unten dieses lichtdurchfluteten Kunstortes, lässt Bodenbesucher und Höhenläufer miteinander in Kontakt treten.

Auf drei Ebenen können die Besucherinnen und Besucher im Kunstwerk über der Piazza des K 21 wandeln und wippen. Voraussetzung: Die Kraxler müssen mindestens zwölf Jahre alt sein, ein gutes Profil unter den Schuhen haben und eine Portion Schwindelfreiheit mitbringen. Der Eintritt kostet zwölf Euro. Mehr Infos unter www.kunstsammlung.de.

Himmlischer Sound Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Der gute alte Bruno aus der fast schon antiken HB-Zigarettenwerbung ging regelmäßig in die Luft. Ben Böhmer auch. Doch der 28-jährige Musikproduzent und DJ aus Göttingen war nicht stinkesauer, sondern gut gelaunt, als er 2020 zum Sonnenaufgang 3000 Fuß über Kappadokien in der Türkei einen Live-Act im Heißluftballon spielte. In Corona-Zeiten mit geschlossenen Clubs und Bühnen faszinierte Böhmer hoch oben mit seinen hypnotisierenden Melodien, seinem tiefen Sounddesign und schweren Bassteppichen. 20 Millionen Aufrufe hat der eineinhalb-Stunden-Flug mittlerweile auf Youtube eingesammelt (www.youtube.com).

Böhmer lernte klassisch Klavier und Trompete in der Kindheit, sein Bruder verführte ihn schließlich an die Regler der Mischpulte. Sechs Jahre nach seiner Single „Promise you“ (2016) performt der Deutsche mittlerweile auf der ganzen Welt. Nicht nur in den Höhen der Türkei, die Deep- und Progressive-House-Welt des Ben Böhmer findet Jünger auf der ganzen Welt. Er  spielte auf dem Distortion Festival in Kopenhagen, dem Habitat-Festival im hohen Norden Deutschlands, dem Anjunadeep-Open Air in den USA und dem Tomorrowland-Festival in Belgien. Er ist mittlerweile Headliner von Veranstaltungen in Europa, in Kolumbien, Indien, und er tourt jetzt in den USA. Böhmer an den Turntables live zu erleben wird allerdings schwer. Alle Acts zwischen Ost- und Westküste sind ausverkauft. Trost geben nur die Alben. Besonders ans Herz gelegt sei das Album „Live From Printworks London“ (2020).

Himalaya-Thriller Er litt wie ein Tier, sagte er. Und er hoffte, dass das Schreiben dieses Buches ihn vom Everest befreien würde. Das war Jon Krakauer nicht vergönnt, denn der heute 67-Jährige hat sich von den Geschehnissen im Himalaya nie richtig erholen können. Im Mai 1996 nahm der amerikanische Journalist im Auftrag der Zeitschrift „Outside“ an einer Mount-Everest-Expedition teil.   ... veröffentlichte er seinen Roman „In eisige Höhen. Das Drama am Mount Everest“ (Piper-Verlag, 1998).

Das Unternehmen endete in einer Katastrophe, fünf von Krakauers Tour-Kameraden kamen auf tragische Weise in einem peitschenden Schneesturm am Gipfel des höchsten Berges der Welt ums Leben. Er selbst konnte sich mit letzter Kraft retten. Am Ende starben zwölf Menschen in mehreren Expeditionstrupps durch Erschöpfung, Erfrieren und Abstürze. Minutiös und eindrucksvoll schildert Krakauer den dramatischen Verlauf der Expedition. Penibel genau, aber nie nervend pedantisch. Die Kette der verhängnisvollen Entscheidungen wie der verspätete Abstieg, Rivalitäten zwischen den Aufstiegsteams lassen auch den bergunerfahrenen Normalbürger das fragile Geschäft der Mount-Everest-Expeditionen erahnen.

Krakauer äußert sich später kritisch über die Auswüchse des modernen Alpinismus mit seinen oft tödlichen Folgen, vermittelt aber zugleich einen Eindruck von der magischen Anziehungskraft und der Faszination des Bergsteigens. Letztlich bleibt nach dem Drama die eiskalte Erkenntnis: Ab 8000 Metern Höhe ist jeder für sich selbst verantwortlich und kaum mehr zurechnungsfähig. 

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