Oberhausen NRW bei den Kurzfilmtagen

Oberhausen · Oberhausener Festival beginnt am 2. Mai – mit eigenem Landes-Wettbewerb.

Manche Geschichten sind beunruhigend. Die vom Vergehen der Zeit zum Beispiel. Da lässt Julia Müller erst alle möglichen Gegenstände im gleichgültigen Rhythmus einer Uhr ticken, dann tauchen wie aus Nebel Erinnerungsbilder auf: ein Mädchen mit Milchkanne – irgendwann schwimmen Blüten auf der weißen Oberfläche. Oder der kunstvolle Trickfilm "Das Tier, das lügen kann" von David Jansen, in dem zahlreiche Figuren in einer surrealen Welt blutig zu Tode kommen und manchmal Kamele auftauchen am Rande eines Schachtes. Da muss man an Josef und seine Brüder denken am Rande des biblischen Brunnens und weiß nicht, warum.

Andere Kurzfilme erzählen realistisch wie knappe Dokumentationen aus der Welt: von einem Fußballverein für Blinde, von einer Gedächtnissportlerin, die in nur 30 Minuten seitenweise Abfolgen der Ziffern 0 und 1 memoriert, bis ihr Gesicht ganz rot wird von der unmenschlichen Anstrengung; oder von Jilou, die seit ihrer Kindheit Breakdancerin ist und bei Wettbewerben meist die einzige Frau.

All diese Filme sind im NRW-Wettbewerb bei den 59. Oberhausener Kurzfilmtagen zu erleben, die am 2. Mai beginnen. Das Festival für Kunstfilme mit knapper Länge umfasst knapp 100 Programmreihen, in denen 450 Produktionen aus 60 Ländern zu sehen sind. Von den 1428 Beiträgen, die zum Deutschen Wettbewerb der Kurzfilmtage eingereicht wurden, kamen 257 aus Nordrhein-Westfalen. Davon hat eine Jury 13 Videoproduktionen für den NRW-Wettbewerb ausgewählt. Die Kunsthochschule für Medien Köln ist mit sieben Arbeiten vertreten, die Fachhochschule Dortmund stellt zwei Filme. Vier weitere Arbeiten sind frei produziert.

Gerade die irritierenden darunter, die sich einfachen Handlungsmustern verweigern und in Bildern erzählen wie der Traum, lehren den Betrachter neu zu sehen. Er muss genau beobachten, Stimmungen wittern, Zeichen deuten. Manchmal wirkt ein Film auch oberflächlich realistisch, wie die Doku "Krokodile ohne Sattel" von Britta Wandaogo. Sie porträtiert ihre Tochter, die in Deutschland aufwächst und bei der Familie ihres Vaters in Burkina Faso. Der Zuschauer erlebt, wie Kaddis erst ein kleines Mädchen ist, das nicht sagen kann, ob es afrikanisch ist oder deutsch, und dann ein Teenager, der Stress mit dem Vater hat und weint, weil er eine beste Freundin vermisst. Der Film ist aus der Ich-Perspektive erzählt und doch von der Mutter beobachtet. Ein seltsames Spiel zwischen innen und außen, Nähe und Distanz, das den Zuschauer verunsichert – und aus einer kurzen Doku ein Stückchen Kunst macht.

Programm und weitere Infos unter www.kurzfilmtage.de

(RP)
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