Vertrauenskirse im Erzbistum Köln „Diese Kirche ist kein Rechtsstaat“
Köln · Das Rücktrittsgesuch von Kardinal Rainer Maria Woelki ist hinfällig, nachdem Papst Franziskus die Frist von drei Monaten verstreichen ließ. Dennoch ist die Zukunft des Erzbischofs weiterhin offen, so der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke.
Über das Rücktrittsgesuch von Kardinal Rainer Maria Woelki Bischofs hätte Papst Franziskus als Oberhaupt der katholischen Kirche nach Kirchenrecht innerhalb von drei Monaten entscheiden müssen. Diese Frist hat Franziskus jetzt aber verstreichen lassen. So hatte Woelki in seinem Hirtenbrief vom 2. März dem Heiligen Vater sowohl seinen Dienst als auch sein Amt als Erzbischof von Köln zur Verfügung gestellt. Diese Angebot ist nun nichtig geworden. Heißt das aber auch, dass Rom den Verbleib von Kardinal Woelki im Amt des Kölner Erzbischofs beschlossen hat?
Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke bestätigt zwar, dass mit dem Ablauf der Frist das Rücktrittsgesuch von Kardinal Woelki „hinfällig“ sei, entschieden sei damit aber noch nicht viel. „Weil der Papst über dem Recht steht und an diese Dinge nicht gebunden ist. Der Papst ist jederzeit frei, einen Bischof, den er seelsorglich nicht mehr für fruchtbar hält, aus seinem Amt zu nehmen.“ Nach seinen Worten setzt der Papst einen Bischof ins Amt und kann ihn jederzeit auch wieder rausnehmen. Es müssen dafür nicht einmal strafrechtliche Vergehen vorliegen. „Es reicht völlig aus, wenn der Heilige Vater der Überzeugung ist, dass in einem Bistum oder Erzbistum eine fruchtbare Seelsorge nicht mehr möglich erscheint und das Verhältnis zwischen Bischof und Volk zerrüttet ist. In Köln gibt es genügend Stimmen und Indizien, die nahelegen können, dass dies der Fall ist“, so Lüdecke im Gespräch mit unserer Zeitung
Das Rätselraten um die Zukunft des krisengeschüttelten Erzbistums und seines Erzbischof geht also weiter. Das Problem dabei sei, dass weder von den Berichten der beiden Visitatoren vom vergangenen Sommer noch des Administrators Rolf Steinhäuser inhaltlich irgendetwas bekannt wäre. „Das hat die Transparenz einer Dunkelkammer“, so Lüdecke. „Niemand kennt wirklich die Argumentation. Das heißt: Auch die Überprüfung, ob Woelki sich etwas hat zuschulden kommen lassen, läuft unter Bischöfen und Kardinälen. Das ist eine Sache, die allein unter Brüdern entschieden wird. Und irgendwann kommt dann aus Rom der Hinweis: Es ist alles in Ordnung. Mir sagen Leute, das sei doch verrückt. Worauf ich entgegne: Nein, das ist katholisch.“
Zumal der Papst letztlich nicht an das Recht gebunden ist. „Diese Kirche ist kein Rechtsstaat; es gibt keine Rechtssicherheit. Es ist ein politisches Recht in der Hand des Papstes. Wenn der Heilige Vater meint, es sei in Ordnung, sich daran zu halten, dann macht er es. Und wenn nicht, macht er es eben nicht“, sagt der 63-jährige Kirchenrechtler, der auch Woelkis Hirtenbrief vom Aschermittwoch dieses Jahres für zumindest problematisch hält. „Wenn Woelki in seinem Hirtenbrief schreibt, dass er als Ausdruck seiner inneren Freiheit dem Heiligen Vater sein Amt zur Verfügung gestellt habe, ,so dass auch er frei ist, zu entscheiden, was dem Wohl der Kirche von Köln am meisten dient`, so dokumentiert das für mich doch ein überraschendes Selbstbewusstsein, das auch kirchenrechtlich grenzwertig ist. Der Kardinal von Köln gewährt dem Papst nämlich überhaupt keine Freiheit. Der Papst kann schlichtweg jederzeit frei entscheiden, und damit ist das Spiel auch nach Ablauf der Frist durchaus offen.“
Eine solche Frist ist kein Kölner Sonderfall, sondern gilt für alle Rücktrittsgesuche von Bischöfen. Eine Ausnahme gibt es nur bei Diözesanbischöfen, die im Alter von 75 Jahren ihren Rücktritt einreichen müssen. Vor Kardinal Woelki hatte schon der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp um seinen Rücktritt gebeten, nachdem ihm im Gercke-Missbrauchsgutachten acht Pflichtverletzungen vorgeworfen worden waren.
Auch bei ihm gab es aus Rom innerhalb der Frist keine Antwort. Erst ein halbes Jahr später kam die Nachricht, dass er im Amt bleiben dürfe, aber für ein knappes Jahr „als einfacher Priester“ im Ausland wirken soll. Schwaderlapp entschied sich für die kenianische Erzdiözese Mombasa. Er wird im Sommer wieder nach Köln zurückkehren.