Nobelpreisträger Benjamin List zur Wahl des Bundespräsidenten „Er sollte in schwierigen Zeiten den Menschen Zuversicht geben können“

Interview | Düsseldorf · Er ist Forscher und Familienvater – und wählt am 13. Februar den künftigen Bundespräsidenten mit: Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List. Im Interview erzählt er, was dies für ihn bedeutet und welche Eigenschaften er vom künftigen Staatsoberhaupt erwartet.

 Wählt am 13. Feburar das neue Staatsoberhaupt mit: Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List.

Wählt am 13. Feburar das neue Staatsoberhaupt mit: Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List.

Foto: picture alliance/dpa/AFP-Pool/Tobias Schwarz

Er saß gerade mit seiner Frau in einem Amsterdamer Kaffee, als am 6. Oktober 2021 das Telefon klingelte. Anruf aus Stockholm und die Nachricht: Benjamin List bekommt den Chemie-Nobelpreis, gemeinsam mit dem US-Forscher David MacMillan. Seitdem hat bei Benjamin List das Telefon noch viel häufiger geklingelt, als ohnehin schon zuvor in seinem Forscherleben. Am kommenden Sonntag darf der 54-jährige Familienvater für die CDU bei der Bundesversammlung in Berlin den neuen Bundespräsidenten wählen. Trotz eines vollen Terminkalenders hat er sich Zeit genommen, ein paar Fragen zu beantworten.

Herr List, sind Sie ein politischer Mensch?

List Ich bin auf jeden Fall ein politischer Mensch, ja. All die Dinge, die unser Zusammenleben als Gesellschaft betreffen, gehen ja auch schließlich mich etwas an. Ob es jetzt Energiepolitik ist, Gesundheitspolitik oder – für mich nicht ganz unwichtig – die Wissenschaftspolitik in Deutschland. Politisch bedeutet für mich aber in diesem Zusammenhang nicht unbedingt parteipolitisch.

Wie wird man Wahlmann oder Wahlfrau?

List Das war in meinem Fall eigentlich ganz unspektakulär: Ich wurde angerufen und gefragt, ob ich das machen möchte.

Was empfinden Sie in Ihrer Rolle als Volksvertreter, den Vertreter im höchsten Staatsamt mitzuwählen?

List Einerseits empfinde ich es als eine ungeheure Ehre, die mir da zuteil wird. Mitglied der Bundesversammlung zu sein, ist schon etwas Besonderes. Andererseits finde ich das auch sehr spannend – für mich ist es das erste Mal, dass ich den Bundespräsidenten wählen darf.

Welche wichtigste Eigenschaft sollte Ihrer Ansicht nach der oberste Mann im Staate mitbringen?

List Ein Bundespräsident – oder eine Bundespräsidentin – sollte in der Lage sein, als unser Repräsentant das Land angemessen zu vertreten. Er sollte in schwierigen Zeiten – wie wir sie während der Corona-Pandemie erlebt haben – den Menschen Zuversicht geben können. Er sollte eine klare Idee davon haben, wohin wir unser Land steuern, ob nun innenpolitisch oder im internationalen Kontext.

Wäre es nicht an der Zeit gewesen für eine Kandidatin?

List Klar, ich bin ich schon der Ansicht, dass eine Frau dieses Amt genauso erfolgreich bekleiden kann wie ein Mann. Die Eigenschaften, die für das Bundespräsidialamt wichtig sind, sind in meinen Augen wirklich keine Frage des Geschlechts.

Dass es noch einmal Frank-Walter Steinmeier wird, gilt als sicher. Ist die Wahl nur eine Formsache?

List Es stimmt, dass die Wiederwahl von Herrn Steinmeier ziemlich wahrscheinlich ist. Allerdings hat er, soweit ich weiß, aktuell auch eine Mitbewerberin und zwei Mitbewerber. Davon abgesehen ist die Wahl des höchsten Repräsentanten unseres Staates für mich nie bloß Formsache. Es gehört zu unserer politischen Kultur, die wir uns unbedingt bewahren sollten – gerade in Zeiten, in denen die politischen Zwischentöne leider wieder rauer werden.

Als Forscher und Familienvater: Was wünschen Sie sich von der Politik?

List Als Forscher wünsche ich mir von der Politik, dass sie die Wissenschaft weiterhin fördert – und auch fordert. Es ist richtig, dass die Gesellschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit erwartet. Doch man muss auch geduldig sein. Grundlagenforschung, wie wir sie bei der Max-Planck-Gesellschaft betreiben, zahlt sich immer aus, aber es braucht eben eine Zeit. Als Familienvater wünsche ich mir natürlich, dass wir unseren Kindern eine zukunftsfähige Welt hinterlassen – das gilt aber nicht nur als Wunsch an die Politik, sondern als Wunsch an die gesamte Gesellschaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort