Nie war Kunst so teuer wie heute

Eben hat eine Auktion bei Sotheby's in New York einen neuen Preisrekord für ein Gemälde von Gerhard Richter hervorgebracht, da meldet Christie's bereits 14 weitere Höchstmarken. Warum ist Kunst so teuer? Und wie funktioniert der Markt, der solche Preise erzeugt?

New York Zu den 14 Rekorden, die Christie's bei seiner jüngsten Versteigerung in New York erzielte, zählt das teuerste Kunstwerk zeitgenössischer Malerei, das je versteigert wurde: 86,3 Millionen Dollar für Mark Rothkos Bild "Orange, Red, Yellow"; außerdem das teuerste Gemälde Gerhard Richters: sein "Abstraktes Bild (798-3)" für gut 21,8 Millionen Dollar. Sotheby's verbuchte zuletzt das teuerste Bild von Roy Lichtenstein: "Sleeping Girl" für 44,8 Millionen Dollar; davor das teuerste je auf einer Auktion verkaufte Gemälde der Welt, Munchs "Schrei". Was ist los mit dem Kunstmarkt? Einige Fragen und Antworten.

Warum ist Kunst so teuer? Kunst ist nicht durchweg so teuer, wie es scheint. Wie der Automarkt aus weitaus mehr Volkswagen als Bentleys und Ferraris besteht, so repräsentieren auch auf dem Kunstmarkt die Auktionsrekorde weniger als ein Prozent des Gesamtmarkts.

Und warum sind diese wenigen Werke so teuer? Wie auf allen Märkten spiegelt sich hier das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Viele reiche Sammler gieren nach einem unverwechselbaren, bedeutenden Kunstwerk. Doch die meisten solcher Werke befinden sich unveräußerlich in Museumsbesitz, erscheinen also auch nicht auf den Listen der "teuersten Kunstwerke". Wenn dann einmal sogenannte marktfrische Ware auftaucht, überbieten die Interessenten einander und treiben die Preise in Schwindel erregende Höhe.

Gerhard Richter zum Beispiel kann doch jederzeit Nachschub liefern. Ja, aber auch aus seinem Atelier stammen nicht ausschließlich Meisterwerke. Um die allein indes geht es.

Woran erkennt man ein Meisterwerk? Gerade bei ungegenständlicher Kunst denken viele: Das kann ich auch. Darüber befinden Menschen mit viel Seherfahrung: Museumsleute, Kunst-Berater, Sammler und Kritiker. Sie können beurteilen, ob ein Bild handwerklich in Ordnung ist, ob es in seiner Komposition "funktioniert" und ob es womöglich sogar die Zeit, der es entstammt, in sich verdichtet. Darüber kann man oft nur dann befinden, wenn man das Bild im Zusammenhang des Lebenswerks seines Urhebers betrachtet und zugleich in zeitgeschichtlichem Kontext.

Welchen Anteil hat ein berühmter Künstlername am Wert eines Kunstwerks? Große Namen sind nicht alles. Gerade die Versteigerung des "Schreis" hat das erwiesen: Mehrere weitere Bilder von Munch wechselten unter ihren Schätzpreisen den Besitzer.

Warum sind Spitzenwerke heute so teuer wie nie zuvor? Weil vor zehn, 20 Jahren die Einkommen weltweit noch nicht so hoch waren wie heute. Deshalb wäre es Unsinn anzunehmen, dass "Junge mit Pfeife" von Picasso, 2004 für 104,2 Millionen Dollar versteigert, weniger wert sei als sein "Akt mit grünen Blättern und Büste", der vor zwei Jahren für 106,5 Dollar einen neuen Besitzer fand.

Wer kauft solche Spitzenwerke? Einst waren es Amerikaner und Japaner, heute sind es Scheichs, die Kunst als Geldanlage und zugleich als Repräsentationsobjekt entdeckt haben. Chinesen und Russen dagegen sagt man nach, dass sie vor allem Kunst aus der eigenen Nation erwerben.

Können die Preise fallen, so dass spektakuläre Erwerbungen sich eines Tages als Verlust erweisen? Die "Jungen Wilden" der 1980er Jahre sind ein Beispiel dafür, wie einst hoch gehandelte Kunst jäh an Wert verlieren kann. Auch bei sichereren Werten wie Werken der klassischen Moderne kann es geschehen, dass man beim Verkauf eines Bildes in einer Wirtschaftsflaute nicht mehr das Geld bekommt, das man einst dafür ausgegeben hat. Bei Spitzenwerken ist die Gefahr jedoch geringer als bei Ware der Preisklassen darunter. Zwei Gefahren bestehen aber immer: Ein Werk kann sich nach dem Kauf als Fälschung erweisen. Und es kann in einen Restitutionsprozess geraten und muss dann unter Umständen an die Erben eines jüdischen Besitzers zurückgegeben werden.

Immer wieder erzielen Werke hohe Preise, die in ihrer Schlichtheit das Geld nicht annähernd wert zu sein scheinen – zum Beispiel der mit Diamanten besetzte Platinabguss eines Schädels aus dem Atelier des Briten Damien Hirst. Warum? Damien Hirst hat den Preis für eines seiner Werke künstlich in die Höhe getrieben, indem er über ein Konsortium selbst mitbot. Das hat er als Teil seiner Kunst ausgegeben. Einige Käufer beklagen inzwischen Verluste. Und manches seiner Kunstwerke ist bereits verschimmelt.

(RP)
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