Wuppertal Nida-Rümelin fordert Leitkultur

Wuppertal · Der ehemalige Kulturstaatsminister sprach in Wuppertal über Bildung.

Wie wollen wir miteinander leben? Warum ist Kultur für Frieden wichtig? Und was hat die Pisa-Studie damit zu tun? Einen großen Bogen von der griechischen Stoa über Immanuel Kant und Ferdinand Lassalle zu Jürgen Habermas spannte Julian Nida-Rümelin. Der ehemalige Kulturstaatsminister (in der Ära Gerhard Schröder) und Professor für Philosophie an der Universität München befasst sich gern mit der Frage, wie Kultur unsere Lebensform beeinflusst. Ein komplexes Thema, das er klug dank aktueller Beispiele immer wieder auf die Gegenwart bezog.

Laut Kant gibt es in einer Demokratie keinen Krieg. Jede Demokratie wiederum hat kulturelle Voraussetzungen, die gepflegt werden müssen. Denn wenn ein Staat seine Bürger als selbstbestimmte Wesen begreift, kann er sie nicht instrumentalisieren. In seinem frei gehaltenen Vortrag, den er auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Wuppertal hielt, verknüpfte Nida-Rümelin globale Themen mit deutschen Besonderheiten.

Deutschland war einmal eine Bildungsnation, wird dem Anspruch heute aber nur noch teilweise gerecht. Das liegt nicht nur am Geld, aber auch: Den Bildungsausgaben – prozentual gemessen am Bruttosozialprodukt – fehlen laut dem SPD-Mann im Vergleich zu 1977 rund 35 Milliarden Euro. Trotzdem "können wir stolz sein auf das, was wir in Deutschland haben", sagte der Philosoph. Schließlich stehen in Österreich, der Schweiz und Deutschland die Hälfte aller Theater – weltweit. Diese Struktur ist jedoch gefährdet durch die Tatsache, dass die Kommunen den größten Teil der Kultur tragen und diese als freiwillige Leistung auf dem Prüfstand steht. "Darüber müssen wir diskutieren", verlangte Nida-Rümelin. Er sieht die Kulturförderung des Staates in der Pflicht, flexibel und innovativ zu bleiben. Das heißt für ihn, Institutionen zu verteidigen, jedoch gegen eine "Musealisierungstendenz" zu arbeiten. Lieber solle man die Künstler selbst und ihre Projekte fördern, meint Nida-Rümelin.

Humanismus ist sein Schlagwort für eine neue Leitkultur, nicht unbedingt für eine deutsche. Kulturelle und moralische Maßstäbe müssten auch in der Finanzwirtschaft gelten. In der Schule fängt für den Politiker bereits alles an. Wenn allerdings die Ergebnisse aus Pisa-Studien dazu führten, dass das Angebot von Musik und Sport zurückgefahren wird, ist das für ihn die falsche Schlussfolgerung. Es dürfe nicht nur darum gehen, junge Menschen auf "Employability" zu trimmen, also auf ein bestimmtes Berufsbild.

(RP)
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