Düsseldorf New Yorker Alltag aus Lego

Düsseldorf · Wer diese Bilder betrachtet, spürt geradezu, wie sie im Gehirn kitzeln – so gescheit sind sie, so doppelbödig und pointiert. Christoph Niemann heißt ihr Schöpfer, er ist 41 Jahre alt und gerade aus den USA nach Berlin umgezogen. Niemann gehört in die Champions League des Graphikdesigns, er gestaltet mehrmals im Jahr Titelbilder für den "New Yorker", das Magazin der Westküsten-Intellektuellen. Kein Deutscher vor ihm hat das geschafft. Seit vier Jahren gestaltet er ein Blog auf der Homepage der "New York Times", es heißt "Abstract City", man kann es als illustriertes Tagebuch lesen.

Einige der schönsten Einfälle aus diesem Internet-Periodikum sind nun als Buch erschienen. "Abstract City" hat elf Kapitel, in jedem spielt Niemann mit einem anderen Alltagsgegenstand. So ergeben sich liebevolle, abstrakte und schräge Ansichten New Yorks: Mit Legosteinen baut Niemann Szenen aus dem Stadtleben nach, auf Papier-Servietten erzählt er Beginn und Verlauf seiner Liebe zum Kaffeetrinken, in Kuchenteig schneidet er seinen Lebenslauf.

Niemann wuchs in der Nähe von Stuttgart auf, beim Düsseldorfer Heinz Edelmann, der den Beatles-Film "Yellow Submarine" gestaltete, lernte er an der Kunstakademie Stuttgart, und nach dem Diplom wagte er es: Er zog nach New York, um sein Glück zu versuchen. Rasch ging es voran, Niemann bekam Aufträge vom "Rolling Stone" und der "Financial Times", er illustrierte Texte von T. C. Boyle und veröffentlichte das sehr populäre Kinderbuch "So funktioniert das". Nach zwölf Jahren kehrte er heim – mit Ehefrau und den drei Söhnen Gustav, Arthur und Fritz. Von der Torstraße in Berlin-Mitte aus arbeitet Niemann inzwischen weiter für die USA, seine Weltsicht hat transatlantische Gültigkeit.

"Abstract City" ist ein selbstironischer Erinnerungsband, ein anregender Stadtführer zudem. Es ist umwerfend zu sehen, wie Niemann Blätter von Bäumen aus New Yorker Parks so zurechtschneidet, dass ihre Form zum Kalauer wird: Zwei Lindenblättern gibt er identische Gesichter, darunter schreibt er: "Zwillinde". Ein Ginkgo-Blatt schneidet er in Streifen und legt es so zusammen, dass es aussieht wie jene Balken, die die Stärke des Internet-Empfangs anzeigen. Darunter schreibt er: "W-Lan-Ginkgo". Man schmunzelt 270 Seiten lang.

Info Christoph Niemann: "Abstract City", Knesebeck, 19,95 Euro

(RP)
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