Fundstück Unbekannte Erzählung von Hemingway entdeckt

Der großartige Text, der jetzt im US-Ostküstenmagazin „New Yorker“ erschienen ist, handelt vom Hochsee-Angeln vor Kuba. Vieles darin erinnert den Leser an „Der alte Mann und das Meer“.

Da ist direkt wieder dieser Sound; lakonisch, sagt man wohl, dabei aber nicht cool und abgebrüht, sondern fein und erschütternd. „Glaubst Du, Du hast jemals einen Fisch wie diesen gesehen?“, fragt einer. „Nein“, antwortet der andere. Und dann vergehen Stunden, in denen der große Fisch, den sie am Haken haben, sie samt ihrem Boot über den Ozean zieht. Er gibt nicht auf, er wird immer größer und die Menschen, die ihn jagen, immer kleiner und demütiger.

Eine unbekannte Kurzgeschichte von Ernest Hemingway ist erschienen, das US-Ostküstenmagazin „New Yorker“ bringt die kleine literarische Sensation in seiner aktuellen Ausgabe. Und natürlich fühlt sich der Leser gleich an „Der alte Mann und das Meer“ erinnert, jene 1951 auf Kuba geschriebene Erzählung, die das berühmteste Werk des Nobelpreisträgers geblieben ist. Auf Kuba spielt nun auch „Pursuit Of Happiness“, und darin wird der Ich-Erzähler namens Ernest Hemingway von dem Wunsch getrieben, einen gewaltigen Marlin zu fangen. „Er sprang und sprang und sprang“, heißt es in der Kurzgeschichte über den Fisch, „und jedes Mal, wenn er ins Wasser klatschte, war es, als falle ein Pferd eine Klippe herunter“. Der Erzähler wird das Tier nicht aufs Boot hieven, das darf man verraten, aber aus anderen Gründen als im „Alten Mann und das Meer“.

Hemingways Enkel Sean fand das handschriftlich verbesserte Typoskript, als er die Sammlung von Arbeiten seines Großvaters in der John F. Kennedy Collection in Boston durchforstete. Er wundert sich, dass diesem Text bisher niemand Beachtung geschenkt hat, und tatsächlich ist das kaum zu begreifen, denn das ist ein schönes Stück.

Hemingway-Fans werden darin Motive aus der Reportage „Der Marlin“ wiedererkennen, die der Autor 1933 im „Esquire“ veröffentlichte und Teil des populären Sammelbandes „49 Depeschen“ ist. Hemingway berichtet darin von einem Angelausflug auf Kuba, und besonders schön ist die Beschreibung des Fisches, seines Glitzerns unter der Wasseroberfläche, seiner Eleganz und Kraft. Sean Hemingway vermutet, „Pursuit As Happiness“ müsse zwischen 1936 und ’56 entstanden sein. Möglicherweise ist das also eines der letzten Stücke, an denen Hemingway gearbeitet hat, bevor er sich 1961 erschoss.

Der Titel der Geschichte variiert eine Passage aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, das „Streben nach Glück“. Den Hintergrund der Erzählung bilden Proteste der Kubaner gegen das Machado-Regime, es brodelt – kaum vernehmbar zwar, aber doch spürbar. Nur auf dem Wasser ist Ruhe, das ist eine andere Welt. Der Erzähler kommt dort zu der Einsicht, dass das Streben ein Wert an sich ist, im Grunde das wahre Glück. Am Ende taucht der Marlin noch einmal auf: „We all saw him at the same time. He was very dark in the water.“

Info Wer „Hemingway“ und „Pursuit“ bei Google eingibt, bekommt als ersten Treffer die Kurzgeschichte angezeigt.

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