Serie nach Romanvorlage Warum die Amazon-Serie „Der Greif“ eine Fortsetzung braucht

Neuss · Auf Amazon Prime ist derzeit eine Adaption von Heike und Wolfgang Hohlbeins Roman „Der Greif“ als sechsteilige Serie zu sehen. Der Stil erinnert an „Stranger Things“ – doch gibt es einige Unterschiede.

Mark (Jeremias Meyer)

Mark (Jeremias Meyer)

Foto: Gordon Timpen

Krefelden im Jahr 1994: Der Grunge-Stil ist in seiner Blütezeit, es wird auf Dächern gegrillt, Jugendliche stellen Mix-Tapes auf Kassetten zusammen, treffen sich im kultigen Plattenladen und hören Nirvana oder „Creep“ von Radiohead.

Als „Der Greif“ von Heike und Wolfgang Hohlbein 1989 erschienen ist, gab es weder den Radiohead-Song noch die 1990er-Jahre. Und doch haben die Showrunner Erol Yesilkaya (Drehbuch) und Sebastian Marka (Regie) bei der Verfilmung des Romans die Handlung in eben jenes Jahrzehnt kurz vor der Jahrtausendwende verlagert. Damit setzen sie auf einen doppelten Nostalgie-Effekt: Nicht nur, dass viele der damaligen Leser nach all den Jahren ihren ehemaligen Jugendroman nun als Serie sehen können, er spielt auch genau in der Zeit, in der viele von ihnen das Buch verschlungen haben dürften.

Aber auch ohne die 1990er oder das Buch zu kennen, funktioniert die Serie – ohnehin sind die Anfänge grundverschieden. Los geht es in der Serie im Jahr 1984, als ein Vater mit seinen beiden Söhnen Mark (Jeremias Meyer) und Thomas (Theo Trebs) panisch die Flucht antritt – selbst seine Frau kann ihn nicht aufhalten. Sie hält ihn für verrückt, will die Geschichten rund um den Greifen und schwarzen Turm nicht glauben. Zehn Jahre später: Der mittlerweile 16-jährige Mark gehört in der Schule zu den Außenseitern, regelmäßig besucht er einen Psychologen, der ihm dabei helfen soll, seine Wut in den Griff zu bekommen – und dann ist da plötzlich eine neue Mitschülerin: Schnell ist klar, dass Mark für Becky mehr als nur Freundschaft empfindet. Da ist kein Platz mehr für Geschichten über einen Greif und dessen Schreckensherrschaft in einer Welt, die sich „der schwarze Turm“ nennt. Auch möchte Mark nichts von der Chronik rund um diese Welt hören, die ihm sein Bruder zum Geburtstag schenkt. Doch als er eines Nachts mit ansieht, wie Steinfiguren vor seinen Augen lebendig werden, beginnt er an die alten Familienerzählungen zu glauben. Und als dann auch noch sein Bruder verschwindet, findet Mark sich immer mehr in seiner Rolle als Weltenwanderer ein. Unterstützt wird er von seinen Freunden Becky (Lea Drinda) und Memo (Zoran Pingel).

Im Laufe der Zeit wird die Serie immer düsterer: Da sind Monster, die in den gewöhnlichen Alltag einbrechen, Jugendliche, die eine Parallelwelt entdecken, eine verzweifelte Mutter, die zusammen mit einem Polizisten auf Rettungsmission geht. Hinzu kommt die nostalgische Verklärung eines Jahrzehnts – man kommt nicht umhin, sich bei „Der Greif“ an den US-Serienhit „Stranger Things“ erinnert zu fühlen.

Dennoch ist „Der Greif“ keine bloße Kopie, immerhin hat er allein durch die Verflechtungen der Geschehnisse mit der Familiengeschichte einiges mehr zu erzählen. Beeindruckend ist auch, wie vielschichtig die Welt des schwarzen Turms angelegt ist. Das wird etwa bei den Bewohnern, den „Gehörnten“ deutlich, die auf der einen Seite erbarmungslos brutal sind, auf der anderen Seite aber auch Gefühle zulassen können, gar Liebe und Trauer empfinden können. Schön ist auch die Idee, die „Gehörnten“ von Tänzern spielen zu lassen und sie mit einer eigenen Sprache auszustatten. Überhaupt sind die fantastischen Elemente im „Greif“ gut umgesetzt, allein die Dialoge des jüngeren Casts wirken in Teilen noch etwas holprig.

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Foto: disney+/Krzysztof Wiktor

Zwischen Spannung und Grauen verleitet die Serie zum Binge Watching – schade, dass es aktuell erst sechs Folgen und damit nur das erste Drittel des Romans gibt und eine Fortsetzung noch gedreht werden muss.

„Der Greif“, Deutschland 2023 – Regie: Sebastian Marka, Max Zähle; mit Jeremias Meyer, Theo Trebs, Lea Drinda, Zoran Pingel, Armin Rohde; bisher sechs Episoden, zu sehen bei Amazon Prime Video

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