Neuheiten bei der Frankfurter Buchmesse Ko-Autor Künstliche Intelligenz

FRANKFURT · Auf der Frankfurter Buchmesse werden neben 70.000 analogen Neuerscheinungen auch digitale Neuheiten vorgestellt.

Endlich gibt es auch sie: die Bestsellermaschine. Also jenen Algorithmus, der den Bucherfolg leicht macht. Das hört sich etwas dramatischer oder auch hoffnungsvoller an, als es die digitale Entwicklung derzeit hergibt. Doch das aktuelle Angebot ist weit mehr als nur Versprechen. QualiFiction heißt das Hamburger Unternehmen, das auf der Buchmesse in Frankfurt LiSA präsentiert.

Technisch gesprochen ist LiSA eine Software auf der Grundlage Künstlicher Intelligenz (KI). Wer die Abkürzung aufschlüsselt, erkennt, was dahinter steht: Mit Hilfe der „Literatur-Screening & Analytik“ werden Romane in Sekundenschnelle inhaltlich ausgewertet – mit anschließendem Feedback. Was also LiSA macht, ist eine Analyse des Themas, der Stimmung, des Stils – wie Wortarten und Satzlänge – sowie der Figuren; und schließlich ermittelt der Algorithmus das Leserpotenzial: Wie viele Leser kann das Buch erreichen? Welche Publikationsform ist die beste? Dazu spuckt das System etliche Grafiken und Kurvendiagramme aus.

Natürlich wird das kritisch beäugt. Wobei Ralf Winkler, Geschäftsführer von QualiFiction, nicht müde wird zu betonen, dass LiSA die Kunst nicht entzaubern wolle, sondern bloß Vorschläge zum Handwerklichen mache und jeder Autor frei entscheiden könne, „ob er sich den Schuh anzieht oder nicht“. Werden solche Bücher, die mit KI-Unterstützung zustanden kamen, kennzeichnungspflichtig sein? Eine von vielen Fragen. Für Yvonne Hochstädter, Juristin, Autorin und Trägerin des Theodor-Heuss-Preises, ist all das nicht verhandelbar: „Die Vermessung des Menschen und seiner Sprache ist seine Reduzierung auf einen Datenhaufen; wie auch Bücher mehr sind als nur ein Haufen Wörter.“ QualiFiction ist jedenfalls schon einen Schritt weiter; es hat mit „Kirschbuch“ einen eigenen Verlag gegründet und wird heute auf der Messe einen eigenen Buchpreis vergeben.

Das klingt grauslich für Autoren, denen Subjektivität und Originalität Ausdruck ihrer Kunst sind. Für andere scheint LiSA ein Heilsversprechen zu sein, nämlich für die große Zahl der Selfpublisher, die oft ohne Beratung und Lektor ihr Werk an den Leser bringen wollen. Allein beim Marktführer BoD aus Norderstedt sind das 45.000 Autoren. Die mussten bislang ihre Zielgruppe selber suchen und konnten sich ihren eigenen Reim darauf machen, warum das Werk vielleicht auf fulminantes Desinteresse stößt.

Man darf sich vom analogen Angebot der über 70.000 Neuerscheinungen auf der Buchmesse nicht täuschen lassen vom Wandel, der sich hinter den Kulissen mit Macht vollzieht. Denn längst verstehen sich Verlage stärker als früher als Serviceunternehmer. Es geht künftig allein um die Verbreitung von Inhalten – literarisch formuliert: Geschichten; und da spielt es keine Rolle mehr, über welchen Kanal dies verbreitet und mit welchem Sinnesorgan es konsumiert wird.

Der E-Book-Reader war mal revolutionär, und er hat weiter Fans. Zuwächse erwartet die Branche in diesem Segment aber nicht mehr. Jetzt geht es um Marktanteile. Und da erweisen sich Verlage, Zwischenhändler und Händler als echte Konsensbranche, die Amazon die Stirn bieten. Tolino – sein Marktanteil steht bei 40 Prozent – stellte gestern gleich drei neue Reader vor, die in der Allianz mit den großen Buchhandlungsketten vertrieben werden.

Erfrischend haptisch ist eine andere Novität: Zusammen mit dem Börsenverein bringt das Unternehmen Lekkerland demnächst Bücher-Gutscheine heraus – für 15, 25, 40 Euro. Die sind dann mit den üblichen Amazon-, Netflix- und Spotify-Kärtchen in Supermärkten und Tankstellen zu finden – und in allen Buchhandlungen einzulösen. Für alle, die noch ganz schnell ein Geschenk brauchen. Das Weihnachtsgeschenk ruft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort