Neues Album zum 75. Geburtstag Die verletzliche Seele der Jane Birkin

Auf ihrem neuen Album wirkt die Sängerin, die mit „Je t’aime, moi non plus“ zum Star wurde, sensibel wie nie. Jetzt wird sie 75.

 Jane Birkin im August bei einem Filmfest in Frankreich.

Jane Birkin im August bei einem Filmfest in Frankreich.

Foto: Domine Jerome/dpa

(dpa) Für „La Birkin“, wie die Franzosen ihre Lieblingsengländerin nennen, ist es eine echte Herausforderung, über sich zu reden. Nur in Liedern fällt es ihr leichter. Und das auch nur selten, wie in ihrem Album „Oh! Pardon tu dormais…“ („Oh! Entschuldige, du schläfst“). Eine wahre musikalische Biografie. Oder, wie sie selbst meint, ein Werk, das an der Oberfläche kratzt. Es seien Lieder, „die absichtlich alte Wunden wieder öffnen“, sagt sie. Es ist das 14. Album von Birkin, aber erst das zweite, das nach mehr als zehn Jahren wieder Texte von ihr vereint. Songs, die von ihrem Leben handeln und vom Tod, mit dem sich die Künstlerin, die an diesem Dienstag 75 Jahre alt wird, in den vergangenen Jahren hat auseinander­setzen müssen.

Das tat die gebürtige Londonerin und Wahlfranzösin zuletzt 2008 in „Enfants d’hiver“ – ihrem ersten Album aus eigenen Texten. Darin sang sie von ihrer Kindheit und Urlauben mit ihrem Vater David Birkin und ihrer Mutter Judy Campbell, Sängerin und Schauspielerin.

Zwischen den beiden Alben liegen zwölf Jahre, in denen sie viele Schicksalsschläge erleiden musste. 2013 verlor sie ihre Tochter Kate aus der Beziehung mit dem Komponisten John Barry. Die 46-jährige Fotografin hatte sich aus dem Fenster ihrer Pariser Wohnung im vierten Stock gestürzt.

Nach dem Tod ihrer Tochter zog sich die gebürtige Londonerin und Wahlfranzösin monatelang ganz zurück. Auf ihrem in Frankreich im Dezember 2020 erschienenen Album erinnert sie in mehreren Liedern an den schrecklichen Moment, wie in „Cigarettes“, das mit dem Satz beginnt: Meine Tochter hat mit ihrem Leben Schluss gemacht.

Doch ihre Auftritte in der Öffentlichkeit wurden schon ab 2012 immer seltener, denn Birkin musste viele Konzerte wegen einer Autoimmunkrankheit absagen. Im September dieses Jahres erlitt sie einen Schlaganfall.

Jane Birkin steht in Frankreich seit knapp 50 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera. Sie verließ England nach ihrer Scheidung von Barry im Jahr 1968, den sie 1965 mit gerade 19 Jahren geheiratet hatte. Bei Dreharbeiten zum Liebesfilm „Slogan“ lernte sie Serge Gainsbourg kennen, einst das „Enfant terrible“ der französischen Musikszene. Sie war Anfang 20, als sie mit Gainsbourg „Je t’aime, moi non plus“ ins Mikrofon stöhnte. Der gesungene Orgasmus wurde zum Skandal. In vielen Ländern wurde das Lied verboten, doch machte es die verführerische Frau mit der Zahnlücke und dem englischen Akzent 1969 über Nacht zum Star – und die beiden zu einem Paar. Zwei Jahre später kam ihre gemeinsame Tochter, Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, auf die Welt.

„La danseuse“, ebenfalls ein erotisches Lied, und „Melody Nelson“ gehörten zu ihren weiteren gemeinsamen Erfolgen. Im September 1980 setzte Birkin der Beziehung ein Ende. Sie war der Eskapaden des Frauenhelds und Alkoholikers müde. Doch noch nach der Trennung hat Gainsbourg weiter für sie geschrieben. Und sie weiter seine Lieder gesungen – auch nach seinem Tod im Jahr 1991. Bis auf eine Ausnahme: den Welthit „Je t’aime, moi non plus“.

Auf der Leinwand ist sie seit einigen Jahren nicht mehr zu sehen. Der Grund: Ihr gefalle ihr Gesicht nicht mehr, wie sie 2016 auf dem Filmfestival in Locarno sagte. Mehr als 40 Filme hat sie gedreht, darunter den Erotikfilm „Egon Schiele – Exzesse“ aus dem Jahr 1981 und „Blowup“, in dem sie ein Fotomodel spielt – nur bekleidet mit Kniestrümpfen. Der Film von Michelangelo Antonioni wurde in Cannes 1967 mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Ein Jahr später erschien der Erotikthriller „Der Swimmingpool“, in dem sie an der Seite von Romy Schneider und Alain Delon spielt. Birkin war das Sex-Symbol der 60er- und 70er-Jahre. Über diese Zeit sagte sie Jahrzehnte später, dass sie sich mit diesem Image gar nicht identifizieren konnte.

Jane Birkin hat zahlreiche Alben veröffentlicht mit Songs, die andere für sie geschrieben haben – mit zwei Ausnahmen, „Enfants d’hiver“ und „Oh! Pardon tu dormais…“, in dem Birkin noch verletzlicher wirkt als sonst. Es liege ein kleiner Schmerz in dem Album, erzählte sie der Wochenzeitschrift „Paris Match“. Und zitierte einen Satz von Serge: Bei blauem Himmel könne man nichts schreiben, man brauche dazu Wolken und Stürme.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort