Düsseldorf Neue Lieder von Leonard Cohen

Düsseldorf · Nun veröffentlicht er tatsächlich wieder eine Platte, und sie ist so geworden, wie man es sich erträumt hat: weise und traurig und reinigend wie die besten Alben des 77-Jährigen, aber auch ein wenig selbstironisch.

Leonard Cohen singt ganz nah am Mikrofon, genau genommen ist das ein Flüstersprech; engelhafte Frauenstimmen umschwärmen den Bariton, und natürlich geht es in den sparsam instrumentierten und einfühlsam arrangierten Liedern wieder um Vergebung, Liebe und Abschied. Cohen hört man nicht, man fühlt ihn. Zwischen den Worten atmet er vernehmlich, und ein bisschen erinnert das an den Moment im Beichtstuhl, da man die Bußgebete aufgegeben bekommt. Erlösung ist nah.

"Old Ideas" heißt die CD, die heute erscheint. Cohen kramte angeblich Notizen aus den vergangenen Jahren hervor, um daraus neue Songs zu machen. Im Zentrum der Produktion, die an die späten Großtaten "Various Positions" (1985) und "The Future" (1992) heranreicht, steht der Song "Darkness". Er habe keine Zukunft, singt Cohen, "ich weiß, es bleiben nur noch wenige Tage". Das ist ergreifend, die Orgel jammert leise, Cohens liebste Background-Sängerinnen, die Webb-Sisters, raunen "Oh, oh", und sie hören sich an wie der Chor in der antiken Tragödie.

Mitunter kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, weil es arg gravitätisch wird, aber selbst das mag man ja an diesem Mann: Wenn Cohen seine Liebhaberinnen um Verzeihung bittet, wenn der Besen leise über das Fell der Trommel streicht und die Trompete so ergriffen ist von dieser mystischen Atmosphäre, dass sie einen Dämpfer aufsetzt.

Dass man diese Platte überhaupt hören darf, hat man der Unzulänglichkeit der Menschen zu verdanken, ihrer Gier und Ehrlosigkeit. Cohen ließ sich in den 90er Jahren zum buddhistischen Mönch ausbilden, und als er nach fünf Jahren aus der Stille zurückkehrte, hatte seine Managerin die Altersversorgung in Höhe von knapp drei Millionen Dollar durchgebracht.

Also musste er das Geld mit Konzerten wieder reinholen. Das funktionierte ausnehmend gut: Die Tournee wurde ein Triumph, und die Musiker seiner Band machten ihm Lust aufs Liederschreiben.

So lehrt denn Cohen auch dieses: Manchmal ist es gut, dass es das Böse gibt.

(RP)
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