Düsseldorf Neue deutsche Sehnsucht: Lieder von Lisa Bassenge

Düsseldorf · Man will sich alte Platten von Hildegard Knef kaufen und den fingerschnippenden Ost-Jazz von Manfred Krug, wenn man diese hinreißende CD gehört hat. Die Berliner Sängerin Lisa Bassenge hat sie aufgenommen, und die 36-Jährige hat nicht nur eine Stimme, die so klingt wie Küsse, die von den Wänden Berliner Altbauwohnungen widerhallen, sondern auch ein Gespür für Texte, Poesie und Tradition und die tausend Wege, "Lebewohl" zu sagen: "Das Radio spielt, als sei nichts passiert", singt sie, "und ich denke, hast du nichts kapiert, hörst du nicht mein Herz?"

Die CD heißt "Nur fort", es ist bereits das fünfte Solo-Album der Musikerin, die mancher als Mitglied der Bands Nylon und Micatone kennen könnte. Mit Micatone machte sie Clubmusik für Leute, die beim Tanzen ungern komisch aussehen, und mit Nylon veröffentlichte sie vor sechs Jahren die Platte "Die Liebe kommt", und wer die Erzählhaltung aus Chansons mag, dieses Ich-steh-am-Hafen-und-wink-dir-hinterher, der sollte sie sich anhören. Schöner klang Sehnsucht seit den 70er Jahren, seit den frühen Songs von Lindenberg und den letzten großen Liedern der alten Damen Knef und Ingrid Caven nicht mehr: "Im 80. Stockwerk / In dem Haus, das es nicht gibt / In der Stadt, die es nicht gibt /Wird ein Mädchen stehn /Es wird warten auf den Mann / Es wird fragen, wann endlich, wann /Wird er da sein?" So geht es zu bei Bassenge.

Diesen Geist atmet nun auch "Nur fort". Gitarre, Klavier und ein bisschen Percussion genügen Bassenge zumeist, manchmal jammert eine Western-Gitarre den Heimweh-Blues, einmal wird sie von Paul Niehaus von der Band Calexico gespielt. Die zurückhaltende Instrumentierung lässt Freiraum für Stimme und Texte. Bassenge liefert fünf elegante und auf altmodische Weise lässige Eigenkompositionen, zudem sechs sanft jazzige Anverwandlungen von vergessenen Wunderbarkeiten. Sie covert "Kosmetik" von Joachim Witt, "Seit der Himmel" von Element Of Crime und "Leider nur ein Vakuum" von Lindenberg. "Auf einer Burg" geht gar auf ein Gedicht von Eichendorff zurück: "Eine Hochzeit fährt da unten / Auf dem Rhein im Sonnenscheine, / Musikanten spielen munter, / Und die schöne Braut die weinet". Eichendorff muss man auch mal wieder lesen.

(RP)
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