Bagdad Nationalmuseum Bagdad wieder geöffnet

Bagdad · Iraks Antikenchefin: Die Kulturgüter im Video des "Islamischen Staats" sind keine Originale.

Frühlingsblumen leuchten im Garten vor den Nachbildungen historischer Gebäude, die das Kulturerbe zwischen Euphrat und Tigris beherbergen. Bewacht von Spezialkräften der Polizei, wurde das irakische Nationalmuseum in Bagdad nun zum dritten Mal nach dem Sturz Saddam Husseins wiedereröffnet. Schon US-Administrator Paul Bremer schmückte sich mit der offiziellen Einweihung, Premierminister Nuri al-Maliki tat es ihm gleich. Doch erst seit zwei Wochen ist der Tempel der Kulturschätze für die Öffentlichkeit zugänglich. Davor waren nur angemeldete Besuchergruppen zum Eintritt berechtigt. Inzwischen haben die Räume eine Verschönerungskur verpasst bekommen und elektronisch gesicherte Eingangsschleusen. Italienische Experten haben die Iraker beraten, wie man die einzelnen Epochen ihrer langen Geschichte museal aufbereitet. Das Museum kann sich sehen lassen.

Die Hauptattraktion dieser Tage ist die Halle der assyrischen Epoche. Das Reich der Assyrer existierte etwa 1000 Jahre, im 18. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung bis zu seinem Untergang um 600 v. Chr. Seitdem die Terrormiliz Islamischer Staat, die im Irak alle Daesh nennen, ein Video veröffentlichte, worin die Zerstörung assyrischer Statuen und Artefakte im Museum von Mossul zu sehen ist, kommen die Leute hierher, um zu sehen, was noch übrig ist. "Die haben keine Originale zerstört in Mossul", weiß Museumswärter Haytham, "das sind alles Kopien." Die Originale seien hier; er zeigt auf die Riesenreliefs und Statuen, geflügelte Stiere und Türhüterfiguren aus Nimrud, Hatra und Khorsabad. Viele befänden sich im Ausland. Auch in Deutschland hätten Museen viel irakische Kunst.

Die Zerstörungswut von Daesh erstreckt sich indes nicht nur auf das Museum in Mossul, sondern auch auf die Ausgrabungsstätten selbst. Jahrtausende alte Ruinen sollen dem Erdboden gleichgemacht worden sein. Mit Bulldozern seien die Barbaren über die Kulturstätten gefahren, besagen kurdische Quellen aus der Provinz Nineve, in der Hatra und die anderen Stätten liegen. Auch dort waren nur wenige Originalteile vorhanden, behauptet Haytham.

Ganz so locker wie der Museumswärter sieht die Chefin der Antikenverwalter Iraks die Zerstörungswut von Daesh allerdings nicht. Fawzye al-Mahdi sitzt in einem bescheidenen Zimmer im Flur der Verwaltungsbüros in einem Seitentrakt des Museums. "Direktor des kulturellen Erbes" steht an ihrer Tür. Sie habe sich das Video genau angesehen, sagt die kleine Frau mit grünem Hijab, dem Schleier, der alle Haare verdeckt. Die Maske, die mit einem Hammer zertrümmert werde, sei aus Gips gewesen, die Statuen ebenfalls. "Keines der Artefakte, die in dem Video zerstört wurden, ist ein Original." Allerdings habe die Terrormiliz Tonfigürchen, Holzembleme aus Eiche und andere wertvolle Gegenstände gestohlen, außer Landes geschmuggelt und verkauft. Wie viele dabei zerstört wurden, kann man nicht sagen. Auch in Deutschland seien sieben Gegenstände aus dem Museum in Mossul aufgetaucht. Wie die Tageszeitung "Al-Sabah" berichtet, hatte der Korrespondent des staatlichen Fernsehsenders Al-Iraqia eine Liste dieser Gegenstände erhalten, die auf dem Kunstmarkt verkauft werden sollten.

Als Daesh voriges Jahr im Juni Mossul einnahm, seien die Angestellten des Museums in die Kurdengebiete nach Erbil oder Dohuk geflohen, berichtet die Antikenchefin. Die neuen Herren hätten sich auch das Museum unter den Nagel gerissen und Schritt für Schritt die Vitrinen und auch die Lager geplündert. Das seien Originale gewesen.

Es breche ihr das Herz, wenn sie die blinde Zerstörungswut sehe, die diese irregeleiteten "Gotteskrieger" demonstrieren. Ihr Krieg gegen die Götzenbilder, wie sie es zu begründen versuchen, finde keine Rechtfertigung. Fawzye al-Mahdi ereifert sich, als das Gespräch auf die in der langen Geschichte Mesopotamiens vielfachen Zerstörungen von Kunst und Kultur zu sprechen kommt. Seine hoch entwickelte Zivilisation, der Reichtum an Wasser und Handelswegen hätten Irak schon immer begehrenswert gemacht. "Alle unsere Nachbarn wollten uns besitzen." Und jedes Mal hätten die dominierenden Kräfte die Vergangenheit zerstört.

Sie sagt vorsichtig "dominierende Kräfte" und nicht Besatzer oder Eroberer. Manchmal sei es glimpflich abgegangen, und den Skulpturen wurden nur die Nasen oder der Kopf abgeschlagen. Manche hätten aber alles zerstört. Auch Saddam Hussein habe keinen Respekt vor dem kulturellen Erbe Iraks gezeigt. Seine Kriege hätten ebenfalls viel Zerstörung gebracht. Und auch die Koalition, angeführt von den USA 2003, habe Kulturstätten als Militärlager benutzt. So findet man im heutigen Babylon nur noch wenige Originalteile. Das Ishtar-Tor sei eine Nachbildung, der Palast von Nebukadnezar ebenfalls. Auch in den jetzt von Daesh niedergewalzten assyrischen Ruinen Hatra, Nimrud und Khorsabad seien nicht alle Teile original. Ihre Verwaltung habe aber genaue Pläne und Zeichnungen der einstigen Originalstätten, so dass sie später wieder aufgebaut werden könnten. Um die Schäden zu beziffern, müsste man aber vor Ort sein. Derzeit wage sie keine Bilanz.

Die Rückgabe gestohlener Kunstgegenstände sei momentan das größte Problem, beklagt die Antikenchefin, die Kooperation mit dem Ausland sei katastrophal. Die Kontrollen bei der Einreise in westliche, aber auch in Nachbarländer Iraks seien unzureichend. Der illegale Kunstmarkt boome.

(RP)
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