Musiker-Legende Urgewalt am Piano

Der einflussreiche Jazz-Musiker McCoy Tyner ist 81-jährig gestorben. Gemeinsam mit John Coltrane revolutionierte er das Genre gleich mehrfach.

Nachruf auf McCoy Tyner
Foto: Busch, Franz-Heinrich (bsen)/Busch, Franz Heinrich (bsen)

Wenn man McCoy Tyners legendäre Liveaufnahmen aus den 1970er Jahren hört, die auf den Alben „Atlantis“ und „Enlightenment“ festgehalten sind, dann beeindrucken die ungeheure Kraft und Fülle, die der Pianist in sein Spiel legt. Sie kommen über den Zuhörer wie ein Sturm, wie eine Urgewalt, reißen ihn mit wie ein Rausch und hinterlassen ihn als einen Anderen.

Als McCoy Tyner diese Aufnahmen machte, hatte er als Teil des klassischen John Coltrane Quartetts bereits mehrfach den Jazz revolutioniert. Er ist mit ihm in kürzester Zeit den Weg vom noch klassisch anmutenden „My Favorite Things“ bis zum freien, spirituell beseelten „A Love Supreme“ gegangen. Er hat ihn mit gestaltet und bereitet mit seinem Spiel der starken linken Hand, das den Flügel wie ein Percussion-Instrument traktieren konnte, ein ganzes Orchester in ihm fand, aber auch feine, lyrische Melodielinien.

Als nun die Familie des 81 Jahre alt gewordenen McCoy Tyner, des letzten lebenden Mitgliedes des John Coltrane Quartetts, seinen Tod bekannt gab, verbreitete sich diese Nachricht wie eine Schockwelle in der Jazzszene. „Ich danke dir, mein großer Bruder, mein Mentor, spiritueller Lehrer, musikalischer Stimulator“, schrieb der Saxophonist Azar Lawrence, mit dem McCoy Tyner in den 1970ern den Weg weiterging, den er bis Mitte der 1960er mit Coltrane verfolgt hatte, auf seiner Homepage. Und Chick Corea bekannte: „McCoy Tyner inspirierte mich gewaltig. Er half mir, meiner Herangehensweise an das Klavier eine Gestalt zu geben.“

Dass McCoy Tyner überhaupt den Weg an den Flügel fand, hat er seiner Mutter zu verdanken. Sie drängte ihn mit 13 Jahren, Klavierunterricht zu nehmen – und zwar vor ihren Augen und Ohren an ihrer Arbeitsstelle in einem Schönheitssalon in Philadelphia. Dort kam eines Tages Tyners Idol Bud Powell vorbei, lauschte und war begeistert. Bis ins hohe Alter gab McCoy Tyner Konzerte und hielt sein Erbe selbst wach.

Jetzt ist es an der nachfolgenden Generation, kreativ mit ihm umzugehen.

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