Josef Haslinger "Mutige Autoren haben eine Vorbildfunktion"

Der PEN-Präsident tritt mit Kulturstaatsministerin Grütters morgen in Köln zu "Poesie und Krieg" auf

Köln Er ist Autor - unter anderem des Bestsellers "Opernball" -, er lehrt am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig das Schreiben und ist seit vier Jahren Präsident des PEN-Zentrums in Deutschland. Morgen wird der Österreicher Josef Haslinger (61) die PEN-Lesung zu "Poesie und Krieg" in Köln leiten. Teilnehmen wird neben etlichen Autoren und Schauspielern auch Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien.

Wir alle träumen davon, dass die Worte der Dichter mächtig sein mögen. Haben sie denn jemals etwas bewirkt?

Haslinger Die Worte der Dichter haben keine Befehlsgewalt. Aber sie führen den Gebrauch von Freiheit vor. Und das ist ein Funke, der seit jeher von Machthabern gefürchtet wird, weil er auf Leser überspringen kann.

Woher kommt die quijotisch anmutende Unverdrossenheit, mit der Dichter gegen Kriege anschreiben?

Haslinger Das ist ein Irrtum. Es hat immer auch Dichter gegeben, die aus ihrer Kriegsbegeisterung keinen Hehl machten, genau so wie Musiker und andere Künstler. Oft hatten sie, nachdem der Krieg zu Ende war, große Mühe, ihre einstige Haltung vergessen zu lassen.

Kann Dichtung in Kriegs- und Leidenszeiten zumindest zu einer Vergewisserung der Existenz werden - nach dem Motto: So lange ich dichte, lebe ich?

Haslinger Etwas zu schreiben, heißt, etwas bewusst so und nicht anders auszudrücken. Wer schreibt, hinterlässt eine persönliche Signatur in der Welt. Schreiben, so einsam dieser Akt von außen auch scheinen mag, hat meist mit Mitteilung zu tun; und insofern ist er dann doch nicht so einsam. Er ist eine Art von Selbstgespräch und gleichzeitig ein Gespräch mit dem imaginierten Leser. Im geglückten Fall hat der Leser das Gefühl, selbst dann gemeint zu sein, wenn der Dichter von sich selbst spricht.

Haben Dichter in arabischen Ländern eine größere Bedeutung als hierzulande?

Haslinger Überall dort, wo es gefahrenreicher ist, über bestimmte Themen zu schreiben, bekommen mutige Autoren für die Leser schnell eine Vorbildfunktion und sie geraten in eine politische Rolle, ob sie es wollen oder nicht. Und das ist in den arabischen Staaten derzeit zu beobachten. In Katar wurde der Dichter Mohammed al-Ajami im Jahre 2011 festgenommen und zunächst zu lebenslanger Haft, später zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, weil eines seiner Gedichte, nach Ansicht des Gerichts, die Herrschaft des Emirs in Frage stellte. Nach jahrelangen Protesten von PEN-Zentren und Menschenrechtsorganisationen wurde der Dichter im März 2016 begnadigt. In Saudi-Arabien sitzt der palästinensische Poet Ashraf Fayadh im Gefängnis, weil er sich, nach Ansicht des Gerichts, der Apostasie, also der Abkehr vom muslimischen Glauben, schuldig gemacht hat. Als Beweis wurden Verse aus einem Gedichtband vorgelegt.

Hat die Verfolgung von Dichtern in Krisenländern Ihrer Wahrnehmung nach in vergangenen Jahren zugenommen?

Haslinger Nicht die Verfolgung von Dichtern, aber die Verfolgung von schreibenden Menschen. In Bangladesh veröffentlichte 2015 eine Gruppe radikaler Islamisten eine Liste von Bloggern und Schriftstellern, die wegen "Beleidigung religiöser Gefühle" bestraft werden sollten. Dann wurde einer nach dem anderen ermordet. Wer überleben wollte, musste ins Ausland fliehen. Einer, der auf dieser Liste stand, ist nun Stipendiat im Writers-in-Exile Programm des deutschen PEN-Zentrums.

Info "Poesie und Krieg - Als der Tod kam in meine Stadt", morgen, 19.30 Uhr, in der Volksbühne am Rudolfplatz in Köln; Karten zum Preis von zehn Euro gibt es an der Theaterkasse sowie im Internet unter www.westticket.de

(los)
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