Berlin Musikhochschulen setzen auf neue Klassik-Formate
Berlin · Keine Formel wurde in den vergangenen Jahren so schlagkräftig widerlegt wie die von der "sterbenden Klassik". Schaut man sich die Konzertangebote an, so sinken die Zuhörerzahlen nirgendwo, im Gegenteil, die Nachfrage wird größer. Selbst das angeblich verpönte Abonnement als Dauerkarte der Großeltern wird wieder beliebt; allerdings werden die Angebote diffenzierter, man kann zwischen mehreren Reihen mischen, es muss nicht immer nur die Serie "Die großen Sinfonieorchester" sein.
Im Januar präsentieren nun auch die deutschen Musikhochschulen erstmalig gemeinsam neue Konzertformate ihrer Studierenden in Berlin. Künstlerischer Leiter der Reihe ist Sebastian Nordmann, Intendant des Konzerthauses Berlin. Auch er widerspricht der These von der Krise der klassischen Musik.
Ziel der Konzertreihe sei es, schreiben die Musikhochschulen, Studierende und Publikum einzuladen, sich "abseits der Traditionen des klassischen Musikbetriebs auf neue Zugänge und Erfahrungen mit klassischem und zeitgenössischem Repertoire einzulassen". Drei Musikhochschulen und ein Orchester, das sich aus Studierenden verschiedener Hochschulen zusammensetzt, zeigen in dieser Konzertreihe außergewöhnliche und interdisziplinäre Projekte.
Auch Nordmann glaubt, dass sich beim Klassikkonzert einiges ändere, beispielsweise die Konzertabläufe, der Programmkanon und das Hörverhalten der Besucher. Man muss jetzt Beethovens Sinfonie Nr. 6 F-Dur, die "Pastorale", nicht bereits fünfzehn Mal gehört haben, um sie genießen zu dürfen; es ist auch erlaubt, sie mit einem Film zu zeigen. Überhaupt glaubt Nordmann, dass neue Formate gleichwertig neben alten stehen werden und einander spannend befruchten können. So wird der gute alte Klavierabend, bei dem ein Pianist vor 1800 gebannten Hörern Werke von Schumann und Liszt oder Chopin spielt, niemals aussterben. Zulauf bekommen vor allem Gesprächskonzerte, in denen der stumme Künstler plötzlich zu reden und sein Programm zu erklären beginnt - oder diesen Part einem Moderator anvertraut.
Die deutschen Musikhochschulen, glaubt Nordmann, könnten zu wichtigen Orten dieser Entwicklung werden. Dort finden im Semester oftmals täglich Konzerte statt, in denen das Spartendenken durchbrochen wird. Hiervor könnte auch die arrivierte Kultur noch lernen.