Xavas veröffentlichen ihr Debüt Xavier Naidoo und Kool Savas haben "Gespaltene Persönlichkeit"

Mannheim · Während in der Vergangenheit Kollaborationen zwischen Soul-Künstlern und Rappern musikalisch oft sehr gezwungen wirkten oder lyrisch eher bescheiden daher kamen, versuchen sich Xavier Naidoo und Kool Savas nun an einer Zusammenarbeit auf Albumlänge. Dabei haben sie eine Platte abgeliefert, an dem sich die deutsche Popwelt messen lassen muss.

 Xavier Naidoo und Kool Savas veröffentlichen mit "Gespaltene Persönlichkeit" ihr Debüt als Duo.

Xavier Naidoo und Kool Savas veröffentlichen mit "Gespaltene Persönlichkeit" ihr Debüt als Duo.

Foto: Xavas

Von einem Album, auf dem die vermutlich besten Künstler zweier Genres aufeinander treffen, kann man nicht weniger als einen Meilenstein erwarten. Kool Savas und Xavier Naidoo gelten im Rap bzw. Soul als die technisch und lyrisch stärksten Künstler, die es in Deutschland gibt. Dabei ist die Kombination aus Rap- und Soul-Superstar auf einer Platte spätestens seit "The Best Of Both Worlds" von Jay-Z und R. Kelly nichts Neues. Und so ist zehn Jahre nach dem Erscheinen der amerikanischen Vorlage von "Gespaltene Persönlichkeit" keine Revolution zu erwarten, die weltweit Genregrenzen einreißt.

Betrachtet man jedoch bisherige Kollaborationen deutscher Soul- und Rap-Künstler, ist eine Revolution auch gar nicht nötig. Ein gutes Standardwerk würde schon reichen, um das Beste aus beiden Welten darzustellen. Und überhaupt ist auch die Entstehungsgeschichte des Albums eher eine Evolution als eine Revolution. Zuvor schon haben Xavier und Savas zusammengearbeitet und bei den Konzerten für ihr Projekt "Wir beaten mehr" sogar die jetzige Single "Schau nicht mehr zurück" gespielt.

Single mit großem Orchesterklang

"Schau nicht mehr zurück" ist weit mehr als ein interessantes Experiment, sondern so etwas, wie das Herz des Albums. Die Single, mit der Xavas auch beim "Bundesvision Song Contest" antreten, ist mit Orchesterklängen sehr aufwendig produziert, aber die Künstler werden nicht von einem Soundteppich verdeckt. Besonders Kool Savas greift die Dynamik der Streicher auf und kann mit Tempoverschärfungen zu dem gefühlvollen Refrain hinleiten, ohne Gefahr zu laufen, aus dem Rhythmus zu geraten.

Mit der Breite der Produktion können nicht alle Stücke auf dem Album mithalten. Bei "Du bereicherst mich" wirken die Streicher und die Gitarre ein wenig übersteuert und damit nicht so voll wie bei "Schau nicht mehr zurück". Auch die Verse von Savas passen nicht so sehr in das musikalische Gerüst, wie es bei den restlichen Songs des Albums ist. Dennoch steht das Lied exemplarisch für den Eindruck des Albums, da es eine Genremischung darstellt, bei der Xavier Naidoo in den Strophen zwischen melodischem Rap und elegantem Soul wandelt. Eine Mischung, die momentan Frank Ocean oder Drake prägen. Im Gegensatz zu Letzterem kommt Xavier Naidoo allerdings ohne Autotune, den nervigen Stimmverzerrer, mit dem Cher schon die Musikwelt quälte, aus.

Musik und Text sind einzigartig

Während man musikalisch also ziemlich wenig kritisieren kann, stellt sich die Frage nach den Texten. Die Kritik, die man hier anbringen kann ist, dass die Texte von Xavier Naidoo weniger komplex sind als die seines Partners. Das ist aber eher der Form des langsamen Gesangs wie bei "Ich bin Ich" geschuldet als dem Songwriter-Talent von Naidoo. Und so sind die Texte auf diesem Album letztlich so stark, dass sich nur wenige Texter wie Herbert Grönemeyer oder Clueso mit Naidoo messen können.

Auf ihre Stellung innerhalb der deutschen Popszene und auf die Erwartungshaltung der Fans gehen Xavas inhaltlich mehrfach ein. Am deutlichsten tun sie das auf "Gegen die Freundschaft". Der Tenor ist klar: "Ich bin nicht gegen die Freundschaft, sondern für die Musik!" Will heißen: das, was die Fans von Künstlern erwarten, können diese eh nie erfüllen.

Auf einigen Stücken übertreffen die beiden Künstler jedoch alles, was man von ihnen erwarten kann. Bestes Beispiel dafür ist "Die Zukunft trägt meinen Namen". Auf dem futuristischen Elektrobeat präsentiert Kool Savas interstellare Visionen, die er beinahe mit Lichtgeschwindigkeit vorträgt. Der Song ist das, was der geschulte Kenner des Rap-Genres gemeinhin als "Brett" bezeichnet, also ein Stück, das einen mit der Wucht einer Holzlatte vor den Kopf stößt und in endloses Kopfnicken versetzt. Wie auch auf "X.A.V.A.S." katapultieren die Künstler ihre Egos aus der Atmosphäre und betonen immer wieder die Besten zu sein.

Müssen sich Superstars noch etwas beweisen?

Man fragt sich, warum sie das machen, denn beweisen müssen die beiden Musikgrößen nichts mehr. Die Antwort gibt Savas in Interviews. Auch Kanye West und Jay-Z würden das machen, weil sie es eben können. Und so stellen Xavas auch immer wieder ihren Lebensstil dar, der dem Text nach unter anderem durch Porsche fahren geprägt ist. Während andere diesen Lebensstil nur besingen, ist er bei Xavas authentisch. Und Authentizität ist neben Musikalität und lyrischen Fähigkeiten die dritte Disziplin, die Rapper beherrschen sollten. Wer dann noch das "Namedropping", also die Nennung von Markennamen in Texten, mit dem Einbau der Firma Zeiss-Optik auf ein neues Level hebt, beherrscht alle Disziplinen des Rap.

Um das Album rund zu machen, gibt es mit "Lass nicht los" und "Form von Liebe" auch Stücke über das zwischenmenschliche Zusammenleben und mit "Mehr als sie" auch noch eine Portion der allseits bemühten "Sozialkritik". Den Gegenpol zum positiven "Schau nicht mehr zurück" bildet das mystisch dunkle "Satan weiche". Mit "Lied vom Leben" endet das Album schließlich mit dem Soundtrack für den Alltag, der sowohl in der Luxuslimousine entlang des Neckars, wie auch in der S-Bahn zwischen Berlin "Schöneberg" und "Tempelhof" funktioniert.

Genau das ist es, was die Alben großer Künstler ausmacht. Sie umfassen inhaltlich und musikalisch eine große Bandbreite, ohne dass einzelne Stücke fremd, verstörend oder unpassend wirken. An diesem Album müssen sich nicht nur kommende Kollaborationsalben, sondern jedes deutsche Soul- und deutsche Rap-Album messen.

(ac)
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