Comeback von „Fury in the Slaughterhouse“ „Zu alt, um cool zu sein? Ist mir egal!“

Nach 13 Jahren wagen „Fury in the Slaughterhouse“ ausgerechnet im Corona-Jahr ein Comeback. Ein Interview mit Frontmann Kai Wingenfelder über die „unglaubliche Lässigkeit des Alters“, Freundschaft und Geldnot.

 Kai Wingenfelder bei einem Konzert in Hannover im Sommer 2020.

Kai Wingenfelder bei einem Konzert in Hannover im Sommer 2020.

Foto: dpa/Lucas Bäuml

Warum heißt Ihr Comeback-Album „Now“?

Kai Wingenfelder: Na „Yesterday“ wollten wir es nicht nennen... „Now“ steht für das Hier und Jetzt. Es ist gerade, da, wo wir leben und es ist der Moment, als das Album entstanden ist. Ich beziehe das überhaupt nicht auf Corona, sondern auf eine Zeiteinheit. Jetzt ist Fury. Ansonsten ist es ein schönes, knackiges Wort. Wir mögen solche Album-Titel wie „Jau“ und „Mono“. Wir hatten auch längere Namen für unsere Platten wie z.B. „The Hearing And The Sense Of Balance“. Wir mögen die kurzen Dinge, denn die waren oft die erfolgreichsten, also dachten wir uns kehren wir doch zurück zu einem kurzen Albumtitel. Die Platte jetzt ist genau die, de wir machen wollten und zeigt, wo wir jetzt gerade stehen. Wir haben uns nicht verloren, aber auf eine andere Art neu in Szene gesetzt.

Sagt das nicht jeder Künstler über das neueste Album?

Wingenfelder: Das kann gut sein, aber ob es ihm gelungen ist, ist eine andere Frage. Das werden die Leute hinterher entscheiden. Momentan sieht es so aus, als ob sie die Platte genauso mögen wie wir. Ich habe noch nie gesagt: „Das ist das beste Album, das ich je gemacht habe“. Aber jetzt sage ich es: Es ist das beste Album, das wir je gemacht haben. Es knallt, rumpelt und drückt wie Scheiße, es hat Energie und es ist einfach nur Fury. Wir haben es geschafft die Energie von der Bühne auf Platte zu pressen. Das hatten wir nie geschafft; dieses Mal schon. Das ist geil, ich bin so happy.

Hatten Sie eigentlich bis jetzt ein Lieblingsalbum?

Wingenfelder: „Mono“, das ist ein Legenden-Album. Auch wenn es nicht von uns wäre, würde ich es als Ausnahme-Platte einer deutschen Band empfinden.

 „Now“ erscheint am 24. April.

„Now“ erscheint am 24. April.

Foto: Starwatch Entertainment/Sony Music

Was bedeutet denn der Boxer auf dem Cover?

Wingenfelder: Der Grafiker des neuen Albums heißt Dirk Rudolf und macht sonst so Sachen wie Rammstein-Cover. Mit ihm haben wir schonmal zusammengearbeitet. Das Ganze entstand aus einer Erzählung des Schwiegervaters von Dirk, der eines Abend erzählte, wie er damals in Altena geboxt hat und er zeigte alte Bilder. Dirk sah diesen Boxer und wusste ‚Das ist es'. Wir wollten diesen grell-grünen Schriftzug „Now“ haben und dazu passte der Boxer, der zudem Kondition haben muss, Disziplin und Geduld. Und er muss ein wenig angriffslustig sein. Er muss abwarten, bis der Gegner etwas müde ist – und ihm dann im richtigen Moment auf die Fresse zu hauen. Wir haben auch gewartet, nämlich 34 Jahre. Und jetzt: Bämmm! 

Warum sind Fury wieder da?

Wingenfelder: Wir hatten 2017 angefangen mit Fury in Stadien zu spielen und das hat natürlich geknallt ohne Ende. Das war glaube ich das erfolgreichste Live-Jahr in unserer Karriere. Dann haben wir gespürt, dass das Spaß macht und haben 2018 auch noch gespielt. Das war nochmal fett. Wir haben 2017 zwei Alben mit Fury gemacht und beide kamen in die Top 5. Da gab es also Menschen, denen wir gefehlt haben. Und sie waren echt happy, dass wir wieder da waren. Das waren wunderbare Konzerte. Außerdem haben wir uns gar nicht gestritten, alle waren locker drauf und wir hatten Bock weiterzumachen. Dann sagte unser Management, dass dies kein Problem sei, wir müssten nur ein Album mit neuen Stücken raus bringen. Denn nur mit den alten Songs würden wir dann auf einem Bürgerfest spielen und die Frau vom Bürgermeister rollt ihre Stützstrümpfe zu „Time To Wonder“ runter. Und kurze Zeit später lernten Christof und ich unseren neuen Produzenten kennen. Und es hat von Anfang an funktioniert.

Ein Glücksfall?

Wingenfelder: Schon. Gleich nach der Testsession. Er kann böse und laut spielen und wir können große Melodien schreiben. Er hat unter anderem die Toten Hosen und die Donots gemacht und steht auf Gitarren. Es passte sofort zusammen, weil wir seine Gitarren wollten und er als Queen-Fan konnte mit uns Popmusik machen. Popmusik mit lauten Gitarren also, es war ein perfektes Match.

Auf den Pressefotos stehen Sie mit den Kollegen vor dem Berliner Fernsehturm. Warum nicht daheim in Hannover?

Wingenfelder: Weil unser Fotograf Olaf Heine in Berlin wohnt und wir dort bei ihm im Studio das Cover geschossen haben. Dann für ein Foto nochmal extra alle nach Hannover karren, wär wohl ein wenig zu teuer gewesen – und so schön ist der Turm nun auch nicht!

 „Fury in the Slaughterhouse“ (von links): Rainer Schumann, Christian Decker, Gero Drnek, Thorsten Wingenfelder, Christof Stein-Schneider und Kai Wingenfelder.

„Fury in the Slaughterhouse“ (von links): Rainer Schumann, Christian Decker, Gero Drnek, Thorsten Wingenfelder, Christof Stein-Schneider und Kai Wingenfelder.

Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Sie sagten zuletzt, dass Sie das gemacht haben, was Sie nie machen wollten. Klingt nach Zwang. 

Wingenfelder: Gar nicht. Wir wollten ursprünglich gar keine neue Platte mehr machen, weil wir dachten, dass das nicht funktioniert. Wir hatten Angst uns wieder zu zerfleischen. Die Trennung passierte nicht, weil wir keine Freunde mehr waren und nicht mehr live spielen konnten, sondern weil wir nicht mehr in der Lage waren zusammen im Studio zu sein. Wir konnten keine Songs mehr schreiben, weil die musikalischen Differenzen so groß waren, dass wir uns nur noch in die Wolle bekommen haben. Dann mussten wir einen Break machen. Sonst hätten wir die Freundschaft riskiert und das wollten wir nicht.

Aber wie kann das sein, dass man das nach Jahren dann plötzlich wieder hinbekommt?

Wingenfelder: Ganz einfach: Die unglaubliche Lässigkeit des Alters! Ein weiterer Grund war Vincent Sorg. Ein Produzent muss immer zwei Fähigkeiten haben. Er muss technisch versiert genug sein, um das Zeug gut aufzunehmen, musikalische Ideen haben, die uns inspirieren und auch noch gut mischen können. Das andere, was bei uns viel wichtiger ist, dass er versteht, wie die Chemie in der Band funktioniert und dass er vernünftig mit uns umgeht. Er muss genau wissen, auf welches Knöpfchen er drücken muss, damit aus uns die Höchstleistung rauskommt, er uns motiviert, damit unsere Stimmung auf einem guten Level bleibt. Wir waren auch willig und haben mit ihm ein Glückslos gezogen. Vincent ist clever und hat den gleichen Humor wie wir. Es passt einfach. 

Böse Zungen sagen jetzt, dass Sie das alles machen, um schnell wieder gutes Geld zu verdienen. 

Wingenfelder: (lacht) Also in der Coronakrise einen wahnsinnigen Reibach zu machen, wie soll das gehen? Wenn wir das hätten machen wollen, hätten wir kein Album veröffentlichen müssen. Live spielen dürfen wir nicht und mit Albumverkäufen verdient man eh nichts. Wir bringen die Platte raus, weil wir denken, dass die Menschen das genau jetzt brauchen. Wenn sie in einer Ausgangssperre nur noch in der Küche stehen, sollen sie  zumindest zu unserer Musik durch die Küche tanzen können. Wenn ich sagen würde, wir brauchen keine Kohle, würde ich lügen. Ich habe seit zwei Jahren nichts mehr verdient, natürlich brauche ich Geld, ich habe eine Familie. Selbst, wenn wir jetzt spielen, sind das Corona-konforme Konzerte mit 1000 Zuschauern. Da verdienen wir nicht viel. Wenn wir die Corona-Konzerte spielen, kommen wir dieses Jahr gut über die Runden. Es gibt zum Glück noch Gema, weil wir haben ja mal „Time To Wonder“ geschrieben und das funktioniert noch ganz gut.

Was, wenn es gar keine Konzerte gibt dieses Jahr?

Wingenfelder: Dann wird’s Ende des Jahres eng. Die Grundidee war, dass wir Spaß haben beim Live spielen. Wir sind Musiker, natürlich müssen wir Geld verdienen. Das ist mein Beruf. Oder soll ich umsonst arbeiten? Wie soll das funktionieren? Der Müllmann fährt morgens los, weil er Geld verdienen muss. Wir haben Spaß an unserem Job, klar – aber wir müssen auch davon leben können. 

 Hofft, am 30. und 31. Juli im Sparkassenpark Mönchengladbach spielen zu können: Kai Wingenfelder.

Hofft, am 30. und 31. Juli im Sparkassenpark Mönchengladbach spielen zu können: Kai Wingenfelder.

Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Wann haben Sie und Ihr Bruder Thorsten gemerkt, das Fury wieder stärker in Ihrem Herzen sind?

Wingenfelder: Es war ein Prozess, der etwas weh getan hat. Weil unser letztes Wingenfelder-Album etwas gestrandet ist und es kurz danach gleich mit Fury losging. Alle Leute haben mitgekriegt, dass wir wieder loslegen und da war uns klar, dass wir Fury machen. Und dann ist für Wingenfelder kein Platz mehr. Die Leute kommen auch durcheinander. Und wir schaffen beides auch gar nicht. Wenn ich etwas mache, mache ich es auch richtig. Mein Herz kann ich nur an eine Band verschenken. Ich habe auch nur eine Frau. 

Mit Christof gab es früher mal Streit, warum klappt das jetzt wieder?

Wingenfelder: Wir haben uns alle gezofft. Christof und ich kennen uns am längsten, fast 40 Jahre. Schon, bevor es mit Fury richtig losging, hatten wir eine gemeinsame Bude. Christof ist mein bester Freund und wir haben uns aus dem Blickfeld verloren. Das heißt nicht, dass da nichts mehr war zwischen uns, aber da war auch mal so eine Art Nichtverständnis für das, was der andere macht. Es ist schon so, wenn man sich knapp zehn Jahre nicht sieht - das war bei mir zwischen 45 und 55 - und man dann feststellt, dass man sich wegen Dingen in die Wolle gekriegt hat, für die es sich gar nicht lohnt sich zu streiten. Irgendwann will man seine Prioritäten anders setzen. Heute wissen wir was wir hatten, was wir haben und was wir gemacht haben, um es fast zu verlieren. Wir haben damals einfach unser Ding gemacht, ohne auf den anderen zu achten. Das war Schwachsinn. Freundschaft macht aus, dass man auch mit den negativen Seiten des Gegenübers ganz gut klar kommt, sagt Christof immer.

Freundschaft macht es aus, dass man auch mit den negativen Dingen ganz gut klar kommt. 

Corona ist natürlich schlimm für Künstler, außer vielleicht für die Kategorie Peter Maffay. Wie sehen Sie es jetzt, wenn Sie auf das eine Jahr zurückblicken?

Wingenfelder: Natürlich geht es uns nicht gut. Bei uns ist es eher mental, weil wir als Band durch die Konzerte so gut aufgestellt sind, dass es bis Ende dieses Jahres ohne Einkommen klappen kann. 2017/2018 waren schließlich fette Jahre. Aber ab 2022 wird es auch für uns eng. Uns geht es schon besser als vielen anderen Musikern der Crews und den vielen Helfern im Hintergrund. Aber am Ende des Tages wird es dann irgendwann ernst. Hoffentlich dürfen wir unsere Corona-Konzerte spielen. Die Politiker reden und versprechen und was bleibt ist heiße Luft! Ich kann gerade mal nicht mehr sagen „Alles wird gut“. Ich könnte das schon, aber eher so mantra-mäßig. 

Wie haben Sie Ihren Alltag in der Pandemie gelebt?

Wingenfelder: Ich bin der Langschläfer bei uns, meine Frau steht da eher früh auf. Ich habe einen ganz anderen Lebensrhythmus und da komme ich schwer raus. Ich sitze manchmal nachts bis um zwei im Studio. Ich werde mit der Zeit auch dünnhäutig. Mein Sohn ist 13, meine Tochter 17. Das ganze Pubertäts-Programm .Wahnsinnig viele Kids in dem Alter machen einfach gedankenlos Party. Meine Kids lass’ ich da nicht hin. Nur bei uns – und alle werden vorher getestet.

Sind Sie ein strenger Vater?

Wingenfelder: Meine Eltern waren streng, ich bin es nicht, ich bin nur rigoros, was bestimmte Dinge betrifft. Bei mir gilt: keine 24 Stunden im Internet. Das finde ich idiotisch. ich möchte gerne, dass meine Kinder mit mir reden und nicht nur mit ihrem Handy. Und ich lege Wert darauf, dass wir jeden Abend eine Mahlzeit zusammen einnehmen. Das sind grundlegende Dinge, die ich nicht aufgeben möchte. Kommunikation in der Familie ist wichtig, wenn man nur noch nebeneinander her lebt, muss man mal einen Break machen.

Thees Uhlmann sang zuletzt „Du hattest einen Plan, ich hatte Fury in the Slaughterhouse“...

Wingenfelder: Der Herzmoment schlechthin war, als Thees den Info-Text für unser Album geschrieben hat. Ich mag ihn einfach, er ist einer der größten Texter in Deutschland. Ich fühlte mich sehr geehrt. 

Früher gab es eine Frage, ob es cool ist Fury zu mögen – als junger Metaller in Niedersachsen war es nicht cool. Ist es das heute?

Wingenfelder: Cool ist es wahrscheinlich nicht, dafür sind wir zu alt. Ich weiß es nicht. Es ist mir auch egal. Wir haben eine gute Platte gemacht und wenn sich die Leute - ob jung oder alt - die Mühe machen das Album zu hören und es mögen, freuen wir uns einfach. Ich habe Gottseidank noch keinen getroffen, der es nicht mag.

Wie ist der Plan mit Fury? 

Wingenfelder: Das hängt von allem ab. Wir machen das nach dem Swinger-Club-Prinzip: „Alles kann, nichts muss“. Nein heißt nein, und jeder bei uns hat ein Veto. Solange wir dieses Prinzip beibehalten, so miteinander umgehen und Spaß haben, werden wir noch lange Musik machen. Wenn Druck aufkommt, hören wir auf und dann machen wir wieder ein Wingenfelder-Album. Bei Fury geht es um Spaß. Die Band gibt es 35 Jahre, sie ist älter als meine Familie, die Band ist meine Familie. Das ist schon groß. 

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