Umgang mit BDS-Kampagne Kulturbetrieb mit Israel-Boykott überfordert

Düsseldorf · Veranstalter ringen um den Umgang mit der Israel-Boykott-Kampagne BDS. Der Bundestag hatte sie kürzlich als antisemitisch eingestuft.

 BDS-Unterstützer protestieren im Juli 2017 gegen die Band Radiohead, die in Israel auftreten wollte.

BDS-Unterstützer protestieren im Juli 2017 gegen die Band Radiohead, die in Israel auftreten wollte.

Foto: picture alliance / empics/Andrew Milligan

Auf Roger Waters ist Verlass. Kaum hatte der Bundestag mit großer Mehrheit die BDS-Kampagne verurteilt, meldete sich auch der eifrigste Unterstützter der Israel-Boykotteure zu Wort. In einem Offenen Brief, adressiert an die Deutschen, teilte der Musiker mit, was vom Vorstoß der Bundespolitik zu halten sei. Habt ihr den Verstand verloren?, fragte Waters, der sich sogleich an die Nazi-Zeit erinnert fühlte. Damals hatte die Weiße Rose um die Geschwister Scholl Widerstand gegen die Judenverfolgung geleistet. Heute, so Waters, würde ein vergleichbarer Widerstand durch BDS gegen eine andere rassistische Regierung organisiert, die israelische. So jedenfalls sieht es der Musiker.

BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“, die Bewegung möchte die vollständige Isolierung Israels erreichen, durch den Boykott israelischer Unternehmen etwa oder den Aufruf an Musiker, nicht in Israel aufzutreten. Zahlreiche Künstler sind dem bereits gefolgt – Lorde und Lana Del Rey sagten etwa Konzerte ab –, andere unterstützen BDS, indem sie die Boykottaufrufe unterschreiben oder verbreiten: neben Roger Waters etwa Patti Smith, Brian Eno und Kate Tempest. Musiker, die auch in Deutschland Konzertsäle füllen, das brachte die Debatte um BDS vergangenes Jahr ins Rollen. Damals wurde die Band Young Fathers vom Kulturfestival Ruhrtriennale aus- und wieder eingeladen, obwohl sie BDS unterstützt. Kurz darauf beschloss der Landtag, dass künftig keine Veranstaltungen mehr gefördert werden, die BDS oder ihren Unterstützern eine Bühne bereiten.

Ähnliches beschlossen schon Städte und Gemeinden, schließlich zog auch der Bundestag auf Antrag der Fraktionen von CDU und CSU, SPD, FDP sowie den Grünen nach, stufte die BDS-Bewegung als antisemitisch ein und beschloss, keine Projekte zu fördern, die zum Boykott Israels aufrufen oder die BDS-Bewegung unterstützen. Der allumfassende Boykottaufruf führe in seiner Radikalität zu einer Brandmarkung israelischer Staatsbürger jüdischen Glaubens als Ganzes, heißt es.

Das war Mitte Mai dieses Jahres, kurz darauf sagte das Düsseldorfer Open-Source-Festival einen Auftritt des Rappers Talib Kweli ab, mit Hinweis auf den Bundestag und die öffentlichen Gelder, die das Festival erhält. Zuvor hatte Veranstalter Philipp Maiburg den New Yorker Rapper noch um eine Klarstellung gebeten, die kam postwendend: Kweli bekräftigte seine Unterstützung für BDS und rückte die deutsche Regierung in die Nähe des Ku-Klux-Klan. Auch sein Konzert in München wird nun nicht mehr stattfinden, zumindest nicht im Feierwerk. Der Club löste den Mietvertrag mit einem örtlichen Veranstalter auf – mit Verweis auf einen Münchner Stadtratsbeschluss vom Juli 2017.

Es stellt sich die Frage, wie die Branche künftig mit den zahlreichen BDS-Unterstützern umgehen möchte, darunter sind neben Musikern auch Regisseure und Publizisten. Wer einmal hineinhorcht, erfährt Rat- bis Sprachlosigkeit. Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft äußert sich gar nicht, vom Verband der Musikspielstätten Livekomm heißt es, man fühle sich von den „oft mit Härte geführten Grundsatzdebatten“ häufig überfordert. Das betreffe nicht nur die Diskussionen um BDS und Antisemitismus, sondern auch jene um Rechtspopulismus, Sexismus oder Rassismus in der Musik. „Nach dem Beschluss des Bundestags sollte die Aufklärungsarbeit verstärkt werden“, fordert ein Livekomm-Sprecher. Fachstellen sollten die Veranstalter informieren, beraten und stärker unterstützen.

Zu denken gibt die Haltung der von Fördergeldern weniger abhängigen Plattenindustrie. Die Debatte „berühre bisher vor allem die Veranstalter“, die man nicht vertrete, heißt es vom Bundesverband Musikindustrie lediglich; obgleich es ja auch die Plattenfirmen sind, bei denen BDS-Unterstützer unter Vertrag sind. Sony Music, wo das letzte Album von Roger Waters erschien, ließ mehrere Anfragen unbeantwortet.

Festivalveranstalter Maiburg möchte sich von Künstlern künftig vertraglich zusichern lassen, dass kein Bandmitglied BDS unterstützt. Mit vergleichbaren Klauseln gehen Reggae-Festivals bereits gegen homophobe Künstler vor. In der Praxis sei das mit der Klausel einfach, sagt Maiburg. Interessant werde indes, „was der Bundestagsbeschluss zukünftig im Detail bedeutet. Was ist etwa mit einem Konzertmitschnitt von Massive Attack, Portishead oder Lorde auf Arte? Kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen Film mit John Cusack zeigen?“ Alles Künstler, die BDS in der Vergangenheit unterstützt haben.

Ein Sprecher der Staatsministerin für Kultur und Medien verweist auf die Autonomie von Kunst- und Kultureinrichtungen. Sie seien innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen in ihrer Programmgestaltung grundsätzlich frei. Als Bundeskulturbehörde habe man jedoch die Erwartung, dass geförderte Projektträger und Einrichtungen „sich der besonderen Verantwortung Deutschlands im Verhältnis zu Israel“ bewusst seien. Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die erkennbar deren Ziele verfolgen, würden nicht unterstützt. Ebenso wenig fördere die Behörde Projekte, „die zum Boykott Israels aufrufen oder die den BDS aktiv unterstützen“.

Philipp Maiburg möchte nun bei einem dem Festival ohnehin vorgeschalteten Kongress auch über BDS informieren, und damit zu einer „konstruktiven Debatte“ beitragen, wie er hofft. „Das Internet taugt dazu jedenfalls nicht“, hatte er nach der Absage an Talib Kweli festgestellt.

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