Neues U2-Album Die 40 Lieder von „Songs Of Surrender“ in der Einzelkritik
One
Im Original in der genau richtigen Balance zwischen Kitsch und Feinsinn. Steigert sich immer mehr, wird unheimlich intensiv. Gibt’s nichts dran zu verbessern. Die neue Version kann also nur verlieren. Und das tut sie: Sie ist lahm und künstlich.
Note: 5
Where The Streets Have No Name
Interessanter Ansatz: Die ohnehin atmosphärische Produktion von Brian Eno und Daniel Lanois noch radikaler denken und den Song als reinen Lufthauch anlegen. Auch wenn das Original dann doch nicht zu toppen ist: Diesen Mut hätte man sich für das komplette Album gewünscht.
Note: 2
Stories For Boys
Ganz früher Song vom „Boy“-Album aus dem Jahr 1980. Einst ein herrliches, schnelles und von den Drums nach vorne gepeitschtes Stück. Nun nur noch ein Abklatsch seiner selbst. Sentimentale Ballade.
Note: 5
11 O’Clock Tick Tock
Ein Höhepunkt des neuen Albums, weil diesem Entwurf wirklich eine Idee zugrunde liegt. 1980 erstmals erschienen, damals eine sehr schöne Postpunk-Rumpeligkeit. Jetzt um die Melodie des Refrains herum neu erfunden.
Note: 2
Out Of Control
Das Original stammt von 1979: vorwärts drängende Gitarre, irrer Bass, brutale Drums und von hinten hereinwehender Gesang. Nun von jeder Dringlichkeit bereinigter Song.
Note: 4
Beautiful Day
Gute Neuauflage. Das Zurückgenommene steht dem Stück gut. Neue Verse gibt es außerdem.
Note: 2
Bad
Bitte das Original unbedingt noch mal hören. Wie Bono in den Song kommt: Man sieht ihn schon von weitem, er rückt erst allmählich in den Fokus, nach etwa zwei Minuten ist er dann voll da. Und kurz vor Schluss hebt er ab. Der Neuauflage fehlt die Sensibilität des Originals, der Sinn fürs Flüchtige.
Note: 4
Every Breaking Wave
Piano-Elegie. Hier hört man noch einmal, warum Chris Martin von Coldplay ein großer U2-Fan ist. Sehr schöner Song vom künstlerisch unterschätzten „Songs Of Innocence“-Album. Im Original sehr gut, in der Neuauflage auch.
Note: 1-2
Walk On (Ukraine)
„Stand up for freedom“: Im Original der Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi aus Birma gewidmet, nun der Ukraine. Das Tolle am Arrangement des Stücks war, wie Bono in den Refrain geglitten ist und sich zur Hymne aufschwang. Die neue Version bleibt gediegen.
Note: 3
Pride (In The Name Of Love)
Im Original einer der größten Songs dieser Band. In der Neuaufnahme ein Tiefpunkt des Albums.
Note: 6
Who’s Gonna Ride Your Wild Horses
Gitarren-Nummer von „Achtung Baby“. Ohnehin keine ganz große Sache, aber Bono machte aus dem Refrain dann natürlich doch enormes Sehnsucht-Kino. Und die Neuaufnahme? U2 covert U2.
Note: 4
Get Out Of Your Own Way
Das Original ist erst sechs Jahre alt. Ebenfalls kein ganz großer U2-Song. Man merkt es auch der Neuaufnahme an. Die Antriebskraft ist durch den fehlenden Motorik-Beat futsch. Veränderter Text.
Note: 4
Stuck In A Moment I Can’t Get Out Of
Langweilige Anverwandlung eines U2-Songs der gehobenen Mittelklasse.
Note: 4
Red Hill Mining Town
Endlich mal wieder eine tolle Neuaufnahme. Die Bläser stehen dem Stück gut. Und: Der Text wurde von der Vergangenheit in die Gegenwart verlegt.
Note: 2
Ordinary Love
Bono klingt in der ersten Strophe gar nicht wie Bono. Ohnehin eine schöne Ballade. Hier noch tiefer gelegt.
Note: 2-3
Sometimes You Can’t Make It On Your Own
Wer das Album von vorne bis hinten durchhört, wird sich spätestens hier den ersten Kaffee kochen.
Note: 3-4
Invisible
Über das Original sagte Bono, sie hätten früher viel Ramones und Kraftwerk gehört, und das hätten sie versucht, in den Song zu bringen. In der Neuauflage wurden diese Einflüsse ausgewaschen.
Note: 4
Dirty Day
Im Original vom „Zooropa“-Album. Nicht mehr so präsent. Eine der besseren Neueinspielungen.
Note: 3
The Miracle (Of Joey Ramone)
Es könnte sein, dass U2 mit „Songs Of Surrender“ darauf hinweisen wollen, wie toll sie ihr Album „Songs Of Innocence“ noch immer finden. Dessen künstlerische Qualität ging ja damals ein bisschen unter, weil sich so viele darüber aufgeregten, dass die Band und Apple es allen iTunes-Kunden in die Accounts gedrängt hatte.
Note: 3-4
City Of Blinding Lights
Gerade in der Mitte dieses Albums hätte etwas Abwechslung gut getan.
Note: 4
Vertigo
Streicher statt wütender Gitarren? Keine gute Idee.
Note: 5
I Still Haven’t Found What I’m Looking For
Bono raspelt sich in das Lied. Das hier ist wirklich eine neue Version. Aber auch sie reicht in keinem Moment ans Original heran. Und weil das Original so stark und viel gehört ist, wird nicht klar, warum es eine neue Fassung geben muss.
Note: 4
Electrical Storm
Fängt gediegen an, wird aber immer besser. Das neue Arrangement ist eine Verfeinerung des Originals.
Note: 2
The Fly
Fängt verheißungsvoll an. Tritt dann auf der Stelle. Und nimmt im letzten Drittel eine interessante Wendung. Mutige Neuauslegung des starken Originals.
Note: 2
If God Will Send His Angels
„Pop“ von 1997 war kein gutes Album. Und dieses Stück war im Original wie die Neuauflage ein bisschen egal. Wer sich das Video noch einmal ansehen möchte: Bono sah damals irre gut aus.
Noite 3-4
Desire
Immerhin radikal: im Falsett gesungen. Hilft aber nichts.
Note: 5
Until The End Of The World
Die Neuauflage geht in Ordnung. Das Beste daran: dass man an das Original erinnert wird. Es lohnt sich, das noch einmal zu hören.
Note: 3-4
Song For Someone
Vergleichsweise nah am Original. Gut so.
Note: 3
All I Want Is You
Der Schluss von „With Or Without You“ soll die Inspiration für das 1988 erschienene Original dieses Songs sein, sagte Bono einst. Die neue Version zeigt, dass es eben nicht nur auf Text und Instrument ankommt, sondern auch auf den Sound eines Liedes, auf seine Produktion. Obwohl die Neuauflage okay ist, braucht man doch den epischen Ausklang des ursprünglich sechseinhalb Minuten langen Stücks, damit sich die volle Wirkung entfalten kann.
Note: 3-4
Peace On Earth
Sehr langweilig.
Note: 4
With Or Without You
Frevel. Größter Song dieser Band. Ewig gültiges Lied-Monument. Hier ins Korsett gestopft, zugeschnürt und erstickt.
Note: 6
Stay (Faraway, So Close)
„Zooropa“, Wim Wenders, Berlin. Schönes Original. Die neue Version wird von Bono mehr gebrummt als gesungen. Ansonsten erhält er die Atmosphäre.
Note: 3
Sunday Bloody Sunday
Weiterer Tiefpunkt. Das radikale Original wird zum Schlaflied.
Note: 6
Lights Of Home
Eines der Lieder, die im Original ganz okay sind, aber wirklich keine Neuauflage brauchen.
Note: 3-4
Cedarwood Road
Hier präziser als im Original. Die neue Version steht dem Stück gut.
Note: 2-3
I Will Follow
Das Original ist ein Hammer. Man findet es auf dem Album „Boy“ von 1980. Die neue Version ist ein magerer Abklatsch, der keine Energie hat.
Note: 4-5
Two Hearts Beat As One
Frohes Stück vom Album „War“ (1983). Sehr schön in die Gegenwart übertragen.
Note: 2
Miracle Drug
Sehr schönes Lied von „How to Dismantle an Atomic Bomb“. Macht Spaß, ihm überhaupt wiederzubegegnen. Und die neue Version ist auch gelungen.
Note: 2
The Things That You Give Away
Schönes Stück aus dem Spätwerk. Auch hier ist die neue Version eine gelungene Erweiterung.
Note: 3
40
Das Finale. Noch einmal zurück ins Jahr 1983. Konzertklassiker, das Publikum nimmt der Band das Lied traditionell ab, während sich die Musiker verabschieden. Versöhnlicher Schluss, auch wenn das Original unerreicht bleibt.
Note: 3