„Troy“ - Vom Kindergarten ins Museum in Stuttgart „Die Fantastischen Vier“ bekommen eigene Ausstellung

Stuttgart · Jetzt ist es schon 30 Jahre her, dass die Fantastischen Vier das erste Mal aufgetreten sind. Jetzt, nach zehn Studioalben und unzähligen Konzerten sind sie ein Fall fürs Museum geworden. Die Ausstellung, die sich ihnen widmet, heißt „Troy“.

 Michael Bernd Schmidt alias Smudo (l-r), Thomas Dürr alias Thomas D und Michael «Michi» Beck (Archivbild).

Michael Bernd Schmidt alias Smudo (l-r), Thomas Dürr alias Thomas D und Michael «Michi» Beck (Archivbild).

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Deutscher Hiphop kann klingen wie ein Baumschneidekurs: „Schnippndibipnbadip sipndipndip“ rappten und reimten die Fantastischen Vier Anfang der 1990er Jahre noch unbedarft. Ein hüpfender, johlender Gegenentwurf war das damals zum dunklen Gangster-Rap mit seinen Bildern aus Gewalt und Verachtung. Deutschsprachiger Rap, ein Exot. In den vergangenen 30 Jahren sind die Jungs der bekanntesten Stuttgarter Export-Band von einer bunt gekleideten, halbstarken Spaßband zu charismatischen Bühnen-Veteranen mutiert. Politischer ist ihr Reime-Rap geworden, tiefgründiger, teilweise melodischer und dennoch familienfreundlich, tanzbar und niemals mehr wirklich belanglos. Nun sind die „Fantas“ sogar reif fürs Museum und für die Leinwand. Flossen hoch, Tassen auch.

Zur Feier des 30. Bühnenjubiläums haben das Quartett und das Stuttgarter Stadtpalais tief in der Klamottenkiste gekramt, die Fotoalben durchgeblättert und in die Archive geschaut. Alte Schallplatten, T-Shirts und Autogrammkarten, klobige Computer und Aufkleber, sogar der halbierte, begehbare Wohnwagen eines treuen Fans - das Stuttgarter Stadtpalais hat alles gesammelt, was die Erinnerung an die vergangenen drei Jahrzehnte mit den Fantastischen Vier hochleben lässt. Unter dem Titel „Troy“, eine Anspielung an einen Titel aus dem Jahr 2004, stellt das Stadtmuseum diese geradezu hymnisch aufgemachte Reminiszenz zusammen.

Gehört eine Band ins Museum? Jein. Keine andere Formation hat den deutschen Sprechgesang so sehr geprägt wie die Fantastischen Vier, das steht außer Zweifel. Und seiner Heimatstadt Stuttgart ist das Quartett gedanklich immer „troy“ geblieben, auch wenn die Musiker inzwischen an vier verschiedenen Orten leben. Grund genug eigentlich für eine Würdigung in der Metropole der Schwaben. Und doch ist der Grat sehr schmal zwischen unkritischer Bewunderung und objektiver Betrachtung. Zudem hätte es sich angeboten, die abwechslungsreiche Geschichte des deutschsprachigen HipHops aufzugreifen im Rahmen der „Troy“-Show.

Genau 30 Jahre also. Zugegeben, wirklich ahnen konnten sie damals, am 7. Juli 1989, nicht, dass aus ihnen mal ein jahrzehntelang gefeiertes Musikprojekt werden würde: beim ersten Auftritt auf einer Bühne in einem stillgelegten Kindergarten hüpften die HipHopper für 3,50 Mark Eintritt auf wackeligen Euro-Paletten, sie hatten bislang nur auf Englisch gerappt, und nach dem Auftritt fehlte die Abendkasse mit den Einnahmen, heißt es. Dennoch: es war das erste Konzert unter ihrem deutschen Namen. „Deshalb haben wir dieses Datum als unseren Geburtstag auserkoren“, sagt Bandmitglied And.Ypsilon. Ein paar Jahre später gelingt ihnen mit „Die da!?!“ der Durchbruch, im Stadtpalais erinnern Fotos an andere Auftritte dieser Zeit.

In den Jahren nach ihrem kommerziellen Schnellstart legten die vier jungen Männer die knallbunten Klamotten ab und spielten sich mit Songs wie „Tag am Meer“ und „Sie ist weg“ erfolgreich frei. 1999 folgt das gefeierte Nummer-eins-Album „4:99“ mit dem Hit „MfG“, auch „Fornika“ und „Für dich immer noch Fanta Sie“ landen an der Spitze der Albumcharts. Das Erfolgsgeheimnis? „Die Fantastischen Vier haben sich immer wieder neu erfunden, waren innovativ in allem, was sie getan haben“, meint Professor Hubert Wandjo von der Popakademie Baden-Württemberg.

Dabei war der erste Auftritt im Vorort Wangen auch die Geburtsstunde des deutschen Raps: „Die Fantastischen Vier haben große Verdienste für die deutsche Popkultur geleistet“, sagt Wandjo. „Sie waren die ersten, die deutschsprachigen Hip-Hop massenkompatibel gemacht und aus der Nische in den Mainstream getragen haben.“ Ob Kollegah oder Cro, Marteria oder Casper - die Fantas leisteten auch für jüngere Chartstürmer Pionierarbeit.

(felt/dpa)
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