Nachruf auf Tina Turner Die Rebellin mit der Jahrhundert-Stimme
Düsseldorf · Tina Turner ist tot. Gestorben ist nicht bloß eine Sängerin, sondern eine Kämpferin und Pionierin. Verbeugung vor einem der größten Popstars des 20. Jahrhunderts.

Bilder aus dem Leben von Musik-Ikone Tina Turner
Popmusik ist immer dann besonders großartig, wenn sie Menschen nicht nur zum Mitsingen bewegt, sondern zum Weiterdenken, Handeln und Rebellieren. So gesehen war Tina Turner einer der größten Popstars aller Zeiten. Sie hatte diese Stimme, in die der Schmerz des Blues eingeschrieben war, die aber zugleich so rau und mächtig klang, dass man damit Rost von Metall schmirgeln konnte. Tina, und das mit dem Vornamen soll hier nicht Verniedlichung sein, sondern Gunstbezeugung und Verbeugung, Tina hatte eine Stimme, die zugleich wärmende Decke, Waffe und Kompass gewesen ist. Mit ihr befreite sie sich aus dem Zugriff eines brutalen Mannes, mit ihr wehrte sie sich gegen Vorurteile, und mit ihr bahnte sie sich den Weg in die Unabhängigkeit und erfand sich in einem Alter neu, in dem andere Stars längst in Rente gehen.
Tina Turner wurde 1939 als Anna Mae Bullock in Tennessee geboren. Sie sang im Kirchenchor, und 1958 holte Ike Turner sie als Backgroundsängerin in seine Band und nannte sie Tina. Dass die Frau mit diesem Organ zunächst tatsächlich hinten stehen sollte, war die erste Fehleinschätzung dieses Mannes. Denn diese Stimme ist eine, die sich mit elektrisch verstärkten Gitarren messen wollte und sich bestens behaupten konnte vor der sogenannten Wall Of Sound, jener massiven Klangwand, die Phil Spector trademarkmäßig in seine Produktionen einzog. „River Deep, Mountain High“ hieß der Hit, den er mit Ike und Tina Turner 1966 in die Charts brachte.

Die erfolgreichsten Hits von Tina Turner
Tina Turners Bühnenauftritte waren Exzesse der Wildheit, des Ungestümen und zugleich des radikal Natürlichen. Sie zeigte, wie wichtig die Rolle der schwarzen Frau in der Entwicklung des Rock ’n’ Roll war. Sie hatte Soul, und sie bewies, dass diese Musik Körpermusik ist, dass das Musik von Menschen für Menschen ist. Kein Wunder, dass sich Mick Jagger bei ihr das Wichtigste abschaute: Die Art und Weise, wie man sich herausfordernd bewegt und die Leute damit nicht vor den Kopf stößt, sondern im Gegenteil mitreißt, ja: wie man sie rasend macht. Tina Turner bewegte sich über Geschlechter- und Rassengrenzen hinweg, sie überwand Genres, sie war just Tina.

So trauert die Promi-Welt um Tina Turner
Je größer der Erfolg von Ike und Tina wurde, desto heftiger wurden die häuslichen Probleme des Duos, das auch privat ein Paar war. Ike drosch und prügelte, oft im Drogenrausch, und das war der zweite Irrtum dieses Kerls: dass Tina das ewig mit sich machen lassen würde. Nach dem Superhit „Nutbush City Limits“ verließ sie ihn, sie hatte 32 Cent in der Tasche. Sie haderte, sie strauchelte zunächst, sie konnte alleine nicht an alte Erfolge anknüpfen, aber dann kamen die 1980er Jahre, und das ist das Irre an ihrer Geschichte, dass sie in diesem Jahrzehnt, das doch eigentlich so radikal anders war als die 1960er Jahre, zu einem der größten Stars des Planeten wurde. Da war sie bereits Mitte 40.

Diese bekannten Menschen sind 2023 gestorben
Sie sang „What’s Love Got To Do With It“ und „Private Dancer“, dann „The Best“ und den Bond-Song „Golden Eye“, und sie schaffte es, eine in den Jahren und mit all den Erfahrungen um so wahrhaftiger gewordene Art der Weiblichkeit auf die Bühne zu bringen. Sie wurde zum role model, zum Vorbild. Der Stimme von Tina Turner haftete nun etwas Geheimnisvolles an, sie verband Melancholie und Gefahr. Da schwang so viel Kraft mit, so viel Sehnsucht auch. Sie war die Stimme der Energie, der Selbstermächtigung. Und wer sie je live gesehen hat, 2009 in Köln zum Beispiel, der fuhr danach ein Jahr lang ohne Dynamo Fahrrad und hatte trotzdem genug Licht.
Nach dem Ende ihrer Bühnenkarriere lebte sie mit ihrem deutschen Ehemann Erwin Bach in der Schweiz. In den vergangenen Jahren häuften sich dann die Hiobsbotschaften. Ein Sohn Tina Turners nahm sich das Leben. Sie erkrankte an Darmkrebs, erlitt einen Schlaganfall, benötigte eine Spenderniere. Nun ist Tina Turner gestorben. Sie wurde 83 Jahre alt.
Tina Turner stieß die Tür auf, durch die jüngere Stars schreiten konnten. Wie groß ihr Einfluss auf die Musikwelt war, zeigen Würdigungen und Dankbarkeitsbekundungen von Mariah Carey, Christina Aguilera oder Ciara. Beyoncé seufzte: „Wenn ich an Inspiration denke, denke ich an Tina.“
Was bleibt noch zu sagen in solch einem traurigen Moment? Vielleicht dieses: We Don’t Need Another Hero.