Interview mit Stoppok „Runterkommen in bester Form“

Seit 40 Jahren ist Stefan Stoppok ein fester Bestandteil der deutschen Musiklandschaft. Ein Gespräch mit einem nimmermüden Sturkopf über Corona, „Querdenker“ und Morddrohungen gegen ihn.

  Stefan Stoppok.

Stefan Stoppok.

Foto: Martin Huch

Sein größter Hit war 1992 „Dumpfbacke“. Damals wollte die Plattenfirma mit Stefan Stoppok durchstarten, doch was machte er? Er veröffentlichte ein Instrumental-Album. So ist der 64-Jährige bis heute. Stoppok macht sein Ding. Seine aktuelle CD „Jubel" erschien vor Corona und stieg auf Platz vier der Albumcharts ein. Im Interview hat Stoppok gute Laune - trotz Corona.

Herr Stoppok, wie geht es Ihnen in dieser für Musiker so schwierigen Corona-Zeit?

Stefan Stoppok Mir geht es eigentlich sehr gut. Bei mir ist das viel zitierte "Runterkommen" in bester Form eingetreten. Ich bin extrem kreativ und mache Sachen, die ich sonst wahrscheinlich immer weiter nach hinten geschoben hätte. Auch wenn für mich das Tourleben und die Konzerte immer ein absolutes Vergnügen waren und hoffentlich bald wieder sind, merke ich jetzt, dass es trotzdem sehr geschlaucht hat. Immerhin kann man sagen, dass ich fast 40 Jahre permanent unterwegs war. So eine lange Pause wie jetzt gab es noch nie. Finanziell sieht es natürlich nicht so spaßig aus, aber ich bin geschult darin, mit extremen Lebenssituationen umzugehen.

Was machen Sie gerade und wie sah Ihr Leben in den vergangenen Monaten aus?

Stoppok Aktuell mische ich in meinem Studio ein Album, von einem tollen neuen Künstler, Philipp Eisenblätter heißt der Mann, das ich vor ein paar Monaten produziert habe. Ansonsten nutze ich die Zeit Dinge neu zu organisieren, aufzuräumen, was man halt so macht...

Im Gegensatz zu anderen Musikern konnten Sie ab und an kleine Konzerte spielen. Nicht wirklich ein Ersatz, oder?

Stoppok Nicht wirklich, aber irgendwie hat es dann doch wieder extrem Spaß gemacht und bei einigen Konzerten waren die Leute trotz Abstand so drauf, dass es sich ganz normal angefühlt hat.

Inwieweit gibt es jetzt aufgrund der Pandemie schnellere Pläne für ein neues Album?

Stoppok Ich hätte locker wieder Songs für ein Album zusammen, daran denke ich aber eher nicht, weil wir die Songs vom letzten Album noch nicht wirklich oft gespielt haben. Die müssen erstmal die Bühne schnuppern. Eigentlich hatten wir sowieso auch ein Duo-Album geplant - diesmal wieder Stoppok plus Worthy. Aber irgendwie genieße ich auch das Komponieren und Werkeln im Studio ohne feste Deadline oder auf ein Ziel gerichtet zu sein.

„Jubel“ ist der Titel des aktuellen Albums. Bejubeln konnte man aber 2020 wenig. Was macht das mit Ihnen als Mensch und Künstler?

Stoppok Naja, in Deutschland konnte man allein darüber jubeln, das man verhältnismäßig gut durch das Jahr gekommen ist und das auch jetzt noch unser Gesundheitssystem einigermaßen stabil ist. Wenn ich da an unseren Schlagzeuger Wally Ingram denke, der in Los Angeles wohnt, mit ihm möchte ich nicht tauschen. Die haben da viel massivere Probleme.

Warum heißt das neue Album eigentlich „Jubel“?

Stoppok Der Titel bezieht sich in erster Linie auf meine ganz persönliche Situation. Ich habe vor über 40 Jahren mein erstes Album aufgenommen, seitdem 19 Studioalben und mehrere Live-Alben raus gehauen und ich habe nicht im Ansatz das Gefühl, dass meine Geschichten alle erzählt sind. Will sagen: die Kreativität nimmt eher noch zu. Außerdem bin ich seit mehr als 20 Jahren komplett unabhängig und kann jederzeit machen was ich will. Wenn das kein Grund zum Jubeln ist.

Corona setzte ein, als Sie mit dem Album ordentlich losgerannt sind. Schmerzte das besonders?

Stoppok Ich sag mal so: Wenn das Album nicht in die Charts oder nur auf Platz 40 oder so gelandet wäre und wir hätten kein Corona gehabt und zu den Konzerten wäre auch keiner gekommen, obwohl die Leute es hätten können, das wäre in jedem Fall schlimmer gewesen.

Machen Ihnen die Impfstoffe Hoffnung?

Stoppok Ja, natürlich. Ohne Impfung wäre eigentlich ziemlich klar gewesen, das wir noch ein paar Jahre mit dem Virus kämpfen müssen. So haben wir wenigstens eine kleine Chance den Ausnahmezustand bald hinter uns zu lassen.

Mit „Lass sie rein“ haben Sie einen tollen Song für die Flüchtlings-Problematik geschrieben. Schreiben Sie auch einen Corona-Song?

Stoppok Nee, ich glaube nicht.

Wie denken Sie über die vielen selbsternannten „Querdenker“?

Stoppok Gute Frage. Darüber habe ich wiederum schon einige Songs in letzter Zeit geschrieben, die ganz klar meine Meinung dazu kundtun. Man muss ja unterscheiden zwischen quer denken und der Querdenker-Bewegung. Letzteres ist ja schon ein Widerspruch in sich.

Sie sind ein politischer Mensch. Was sagen Sie zu den schlimmen Zuständen in Washington am Capitol?

Stoppok Dummheit kennt keine Grenzen!

Worüber haben Sie zuletzt so richtig gejubelt?

Stoppok Über unseren Charteinstieg auf Platz 4 der offiziellen Verkaufscharts. Das ohne großen Werbeaufwand und Geld im Nacken zu schaffen, ist schon zu bejubeln. Das heißt, dass es noch genügend Leute gibt, die sich ihren Musikgeschmack nicht von irgendwelchen Trends und Moden vorschreiben lassen. Toll!

Sie werden in der Pressemitteilung „Deutschlands sturster Indie-Songschreiber“ genannt. Passt Ihnen das?

Stoppok Ja. Es ist in der Tat so. Ich habe immer gemacht was ich wollte und bin keine Kompromisse eingegangen.

Sie definieren nicht nur den Status des Protestsängers neu, sondern entstauben auch den Begriff des Geschichtenerzählers? Können Sie das erklären?

Stoppok Ich glaube, ich habe eine ganz eigene Art gefunden mit den Themen der Zeit umzugehen. Früher stand bei den Protestsängern immer erst das Thema vorne und die Musik wurde als Vehikel darunter gelegt. Ich entwickele meine Texte immer zusammen und ganz homogen mit der Musik und lass beides aufeinander wirken. Dadurch wird alles sehr viel emotionaler und gleichzeitig vielschichtiger.

Sie haben Ihnen mit Ihrem Fleiß und Ihrer Spielfreude eine treue Fangemeinde erspielt. Wo sehen Sie sich heute als Sänger?

Stoppok Ich habe definitiv mein eigenes Spielfeld und muss mich nicht mit irgendwelchen anderen vergleichen. Dadurch, dass ich nie den Soundtrack für eine Generation abgeliefert habe, klingt meine Musik immer aktuell und wird immer wieder von neuen Leuten entdeckt. Dadurch bin ich auch als Musiker Vermittler zwischen den Generationen.

Wo Stoppok draufsteht, ist auch Stoppok drin, oder? Sie haben nichts verändert an Ihrem Stil. Ganz bewusst?

Stoppok Dafür sah ich bisher noch keinen Grund. Auch da ist noch lange nicht alles ausgelotet und solange ich mich nicht penetrant wiederhole kann ich dabeibleiben. Ich liebe Gitarren, ich liebe echte Drums, ich liebe eine röhrende Hammondorgel. Und da ich darüber hinaus alles was Saiten hat, also Mandolinen, Banjos usw. gerne spiele, sind Millionen Kombinationen möglich.

Für „Lass sie rein“ hagelte es bei Youtube massive Hass-Kommentare bis hin zu Morddrohungen. Wie sprachlos macht Sie das?

Stoppok Ganz im Gegenteil, es macht mich nicht sprachlos, sondern es zwingt und bringt mich dazu den Mund zu dem Thema noch mehr aufzumachen. Den idiotischen und kleingeistigen Verschwörungstheoretikern muss man Paroli bieten.

Ihr Ding war immer der Blues. Doch man erkennt ihn nicht als den typischen Blues, wie die Masse dieses Genre sieht. Ist das gewollt, dass Sie ihn in Ihrer ganz eigenen Weise spielen?

Stoppok Blues war für mich immer ein gewisses intensives Grundgefühl und nicht der gängige 12-Takter. Letztendlich muss jeder für sich seinen musikalischen Rahmen finden, in dem er sein Gefühl am besten ausdrücken kann.

„Ärger“ war ein Hit von Ihnen. Sie waren danach nie mehr auf der Suche nach dem großen Hit, oder ist das falsch beobachtet? Man hat den Eindruck, dass Sie unterm Radar laufen, das für Sie aber gar nicht so arg schlimm ist.

Stoppok Richtig! Ich glaube Pilze suchen ist effektiver und amüsanter als den Hit zu suchen. Ich hatte immer Angst davor, in so ein starres Korsett gezwängt zu werden. Es gibt sicher Musiker, die damit umgehen können. Ich gehör’ da nicht zu und fühl mich unterm Radar wunderbar. Schöner Reim.

Stoppok hat sich sein Universum erschaffen, das in keine Schublade passt und sich zu einem ganz eigenen Genre entfaltet hat, war zu lesen. Brauchen Sie kein anderes Universum, um glücklich zu sein?

Stoppok Natürlich brauche ich andere Universen, um mich auszutauschen, ich bin kein Einzelgänger. Ich mach zum Beispiel jedes Jahr eine Reihe, Stoppok plus Artgenossen, zu der ich die unterschiedlichsten Musiker aus verschiedenen Ländern einlade und wir machen wunderbare stilübergreifende Musik. Geniale Konzerte sind das und ohne diesen Austausch würde mir sicher viel Kreativität flöten gehen. Außerdem begebe ich mich regelmäßig in ein völlig anderes Universum, nämlich nach Indien, um dort klassische indische Musik zu spielen, die ja so gar nichts mit unserem Musikverständnis zu tun hat. Da habe ich schon drei Alben aufgenommen und auch Konzerte gespielt, ich liebe das.

Woher nehmen Sie die immer wieder neue Motivation für die vielen Konzertreisen?

Stoppok Die Energie kommt natürlich von der Musik selber, aber bei den Konzerten ist ganz klar, dass das Publikum so viel an Power auf die Bühne schickt, da kann man gar nicht unmotiviert sein. Außerdem habe ich eine fantastische Band, wir kicken uns gegenseitig an.

Ihre Platten nehmen Sie in Amerika auf, klingen aber sehr deutsch. Ist das beabsichtigt? Wie und wo leben Sie privat?

Stoppok Das stimmt so nicht, die meisten Aufnahmen haben wir immer in Deutschland gemacht, aber da unser Schlagzeuger Wally Ingram in Los Angeles wohnt, ergibt es sich immer mal wieder, dass wir auch da ins Studio gehen. Ich lebe mittlerweile in Hamburg, mein Bassist Reggie Worthy in Braunschweig und unser Hammond-Spieler in Recklinghausen, also sind wir doch eher eine Deutsch klingende Band!

Wie sind Ihre Pläne für 2021? Wenn man in dieser Zeit überhaupt konkret planen kann...

Stoppok Ja, das kann man leider nicht so wirklich. Wir haben natürlich für den Sommer schon wieder Konzerttermine gebucht und auch die November/Dezember-Tour 2021 steht, aber wie du richtig sagst, keiner weiß wann der Spuk vorbei ist. Was wir aber gerade anfangen konkret zu planen, ist ein Streaming-Konzert an meinem 65. Geburtstag – mit Gästen auf der Bühne und eine Online-Schalte dazu, je nach Lage. Das Konzert findet im Polittbüro in Hamburg statt und es werden viele interessante Musiker dabei sein. Wer konkret, geben wir in den nächsten Wochen bekannt.

Weitere Infos und alle Termine unter www.stoppok.de

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