Central Park Simon & Garfunkel: Das legendäre Konzert im Central Park vor 25 Jahren

New York (RP). Als die Türme noch standen und die Stadt bloß unter den eigenen Plagen ächzte: Simon & Garfunkel fanden heute vor 25 Jahren nach langer Trennung im New Yorker Central Park wieder zusammen.

Am 19. September 1981 strömten etwa 500.000 Menschen in den Central Park, um dem Konzert von Paul Simon und Art Garfunkel beizuwohnen. Einer davon war ich.

Es war das erste Mal, dass ich in den Big Apple biss, sein Duft war so gewaltig, abstoßend und anregend, dass ich tagelang durch die Häuserschluchten lief und die Stadt einsog. Ich erledigte Manhattan zu Fuß, und wenn ich nicht mehr konnte, dann winkte ich einem Taxi und fuhr ins "Village Gate", einen Musikclub in Greenwich Village.

Dort lernte ich Sue aus Wisconsin kennen, die Ethnologie in New Jersey studierte. Sue erzählte mir von einem musikalischen Event am folgenden Abend, es war eine Zeit, da sich Events noch nicht inflationär vermehrten, es musste also ein wirkliches Ereignis sein. Sie war einzig dieses Abends wegen für zwei Tage nach New York gekommen. Wenn ich wolle, könne ich ja mitgehen, wann höre man Simon & Garfunkel in fröhlicher Wiedervereinigung schon umsonst, dazu im Central Park? Ich fragte: "Free entrance?" Sue: "Yes, unbelievable!"

Heute weiß ich, dass wir uns damals in einer Zeitzone der Unschuld befanden. Der Kalte Krieg war weit weg, New York war 1981 selber ein Sündenbabel und für diesen Zustand auch allein verantwortlich. Es wurde noch nicht von fremden Mächten heimgesucht, es stöhnte unter der eigenen Last. Am Nachmittag vergaßen wir das Stöhnen, obgleich das Heulen der Sirenen in New York nie aufhört, Sue kam mit ein paar Freunden, wir trafen uns an der Carnegie Hall, besorgten uns Proviant und spazierten los.

Es waren Tausende und Abertausende unterwegs, so muss Woodstock gewesen sein. Dann trafen wir ein in dem riesigen Festzelt ohne Dach unter freiem Himmel, das an diesem 19. September 1981 der Central Park war, und warteten.

Ich kannte Simon & Garfunkel von den Platten meiner Mutter, die musizierten so melodiös, dass man einfach mitpfiff. "El Condor Pasa" (mit der Panflöte) konnte ich gut auf dem Klavier nachspielen, die "Bridge Over Troubled Water" spannte sich weit über die Seele, und Jesus liebte Mrs. Robinson mehr, als sie ahnte. Meine Lieblingsstücke waren natürlich "Scarborough Fair" und "Homeward Bound", die stille Ballade des einsamen Musikers, der nach Hause zurückkehrt. Das alles sollte ich an diesem Abend live erleben können, und ich hätte es fast verpasst.

Das Konzert war einzigartig, die Anlage vortrefflich, die Stimmung glorios. Es schien wieder mal, als sei die Gitarre einzig für Paul Simon erfunden worden. Er machte lustige Komplimente an die Stadt, die er ja verdammt gut kannte, lobte Polizei und Feuerwehr, lobte die Fans und machte aus seiner Verwunderung keinen Hehl, dass da eine halbe Million Menschen auf einem Fleck beisammen war, um einzig ihm und seinem beinahe verlorenen Kumpel Arthur zuzuhören. Es war ein Lärm ohnegleichen, als die ersten Takte berühmter Songs erklangen, es war die schiere Wiederhörensfreude, es war Gedächtnisfeier und Auferstehung in einem. Sue kannte alle Texte auswendig.

Und es war ein Heimatabend, der besinnlich und hymnisch das große, sonnige, erhabene Amerika und das große, dunkle, gefräßige New York besang. Die Stücke hießen "America" oder "American Tune" (auf die Melodie von "O Haupt voll Blut und Wunden"!) oder "A Heart In New York". Das Duo sang vom Central Park, in dem man gerade selber saß, von der Queensboro Bridge, die viele bald wieder überqueren mussten, von der Skyline, die man anfliegt - und wer konnte 1981 schon ahnen, dass diese Formulierung zwanzig Jahre später neue Gültigkeit bekommen sollte?

Kurios, dass damals kein Flugzeug über dem Central Park zu hören war. New Yorks Bürgermeister Ed Koch hatte nicht nur die Begrüßung übernommen ("Ladies and Gentlemen - Simon & Garfunkel"), sondern vorab auch gebeten, alle Maschinen mit Ziel La Guardia in den Ost-Anflug zu dirigieren. Für Paul Simon, den großen Sohn der Stadt, konnte man sowas machen.

Es kamen wirklich alle prominenten Nummern, auch "The Boxer", "Fifty Ways To Leave Your Lover", "Wake Up Little Susie", nur "El Condor Pasa" nicht. Wenn ich mich recht erinnere, endete das Konzert wie auf der später edierten CD mit "Sounds of Silence".

Tausend Feuerzeuge. Sue und ich summten mit. Was hatte ich an diesem 19. September 1981 daheim verpasst? Die Mainzer Stephanskirche bekam die berühmten drei Chagall-Bilder vermacht. Und sonst? Am 19. September 1981 erschien die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam". Zwanzig Jahre später wurde sie am Himmel über New York einfach außer Kraft gesetzt.

Sue war entspannt und herzlich, sie verabschiedete mich, den Boy aus Germany, wie einen Gleichgesinnten, der für gute Musik einen halben Tag hergibt. Sie hatte eine schöne Singstimme. Simon & Garfunkel traten danach gelegentlich noch als Duo auf. Sue sah ich nie wieder.

(Rheinische Post)
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