Botschaften-Festival bei Roger Waters-Konzert „Ein Gericht in Frankfurt hat entschieden, dass ich kein Antisemit bin. Ausgezeichnet“
Köln · Beim Konzert von Roger Waters in der Lanxess-Arena ging es eher um Botschaften als um Musik. Der 79-Jährige feuerte eine Provokation nach der anderen ab. Die Musik wurde zur Nebensache – dabei war sie so gut.
Eine Demo auf dem Roncalliplatz am Vortag des Konzerts, eine Podiumsdiskussion, ein Appell von Bürgermeisterin Henriette Reker, Offene Briefe aus dem Stadtrat mit der Aufforderung an die Köln-Arena, das Konzert zu verhindern: Roger Waters hat in Köln, aber auch an weiteren Spielorten seiner „First Farewell Tour“ für viel Aufregung gesorgt. Nicht wegen der Musik, die der 79-jährige Brite mit der großen Vergangenheit bei seiner „This is Not a Drill“-Tour spielt. Sondern wegen der Begleitgeräusche zu seinen Auftritten, die niemand überhören kann: Kritiker sehen in Waters einen einflussreichen Antisemiten, der vor Jahren in einem Konzert einen Ballon in Schweinform aufsteigen ließ, auf dem ein Davidstern prangte, und der die Israel-Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestment und Sanktionen) unterstützt. Jüngst hat er sich empörend über die Rolle der Ukraine im Krieg mit Russland äußert.
Waters selbst greift die Debatte im Konzert auf und dementiert, antisemitisch zu sein, wobei er triumphierend das Frankfurter Verwaltungsgericht heranzieht: „In einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse: Ein Gericht in Frankfurt hat entschieden, dass ich kein Antisemit bin. Ausgezeichnet“, heißt es in einer etwas unheimlichen Sprachbotschaft vor Konzertbeginn. Doch die Richter haben etwas ganz anderes entschieden: Sie haben einer Klage von Waters Anwälten gegen die beabsichtigte Absage des Konzerts stattgegeben, weil sie der Meinungs- und Kunstfreiheit Vorrang einräumen. Auch in Köln sah man keine Möglichkeit, aus dem Vertrag noch auszusteigen.
So sind immerhin 11.000 der 14.000 Plätze in der Arena gefüllt, und von einzelnen Buhrufen und Transparenten vor der Halle abgesehen darf sich Waters willkommen fühlen. Sein Antisemitismus-Dementi wird von Applaus begleitet, will aber nicht zur Aufforderung passen, sich doch bitte an die Bar zu verziehen, wenn man mit den „politics“ von Waters nichts anfangen könne – sogar dann, wenn man die Musik von Pink Floyd mag.

Demonstration gegen Roger Waters-Konzert in Köln
Das ist bezeichnend für den Abend: Waters will politisch und provokant sein und nimmt dafür sogar in Kauf, dass die großartige Musik fast nebensächlich wird. Fast drei Stunden lang versorgt er das Publikum mit Bildern, Botschaften und Parolen, die auf den riesigen, kreuzförmigen Screens über der Bühne zu sehen sind – Texte, Filme und Grafiken, die eine überwiegend düstere und dystopische Welt zeigen. Oder US-amerikanische Präsidenten als Kriegsverbrecher.
Waters legt mit dem Klassiker „Comfortably Numb“ kraftvoll los und schiebt gleich „Another brick in the Wall“ hinterher – in bestem Pink Floyd-Sound. Doch alle Songs bekommen einen Subtext, ein wirres Konglomerat aus antiamerikanischen, antitotalitären und antikapitalistischen Versatzstücken, ergänzt um die bei Waters obligatorische Israelkritik und Friedensappelle. Trotz der Bilderflut wirkt die Show kühl und konstruiert – und lässt viele Pink Floyd-Fans ratlos zurück. Denn die wenigsten sind gekommen, um „in die Psyche von Roger Waters einzutauchen“, wie der Veranstalter unfreiwillig komisch verspricht. Wer kommt, teilt überwiegend die Überzeugung, dass das krude Geraune irgendwie zu ertragen ist angesichts der epochalen Rockmusik, die Waters mit Pink Floyd geschaffen hat.
Zumal Waters und seine fantastische Combo musikalisch so viel richtig machen, dass man auf den Firlefanz gut und gerne verzichten könnte. „Run like hell“ präsentieren Waters und Crew so temporeich, druckvoll und packend, dass das dazu durch die Arena schwebende Schwein – diesmal nur mit Namen von Rüstungsfirmen bestückt – wie ein lächerlicher Fetisch wirkt.
Das optische Spektakel will so gar nicht zum ehrlichen und bisweilen grandiosen Sound passen. „Wish you were here“ wird zum knappen, aber besten Song des Abends, auch „Us and them“ entfaltet seine Wirkung. Wenigstens beim großartig gespielten „Money“ und bei „Is this the life we really want?“ passt Waters Kapitalismuskritik zu den Songs. Trotzdem: Was Waters und vor allem Jonathan Wilson und Dave Kilminster (Gitarre und Gesang), Joey Waronke (Schlagzeug) und Seamus Blake (Saxophon) liefern, ist bis zum letzten Solo überzeugend. Am Ende sehen wir die Band hinter der Bühne weiterspielen, voller Spielfreude. Endlich ganz bei sich und der Musik. Waters sieht erleichtert aus.