Düsseldorf Oligarchen-Barock von Robbie Williams

Düsseldorf · Am heutigen Freitag erscheint das neue Album des 42 Jahre alten Superstars. Wer nun allerdings auf eine Rückkehr zu alter Stärke hofft, wird enttäuscht: "The Heavy Entertainment Show" ist eine ziemlich mühsame Angelegenheit.

Robbie Williams: Neues Album "The Heavy Entertainment Show"
Foto: dpa, ped soe his fgj

Es gehen einem beim Hören dieser Platte zwei Fragen durch den Kopf. Erstens: Wie konnte das passieren? Und: Darf man ihm das überhaupt noch übelnehmen?

Robbie Williams veröffentlicht heute seines neues Album, es heißt "The Heavy Entertainment Show", und es ist verblüffend schlecht. Die Vorab-Single ließ schon nichts Gutes erahnen: "Party Like A Russian" bietet neben einem Pet Shop Boys-Zitat ("Go West") dreieinhalb Minuten tumbes Gestampfe im Porzellanladen des Pop. Der Song kommt nicht von der Stelle, er kann vor Muskeln kaum laufen, und statt Charme und Raffinesse sind da nur dicke Soße und Produktions-Pomp. Oligarchen-Barock. Darunter kann keine Melodie mehr atmen.

Unter diesem Manko leidet nahezu das komplette Album: Es ist vollgestellt mit Bombast und Effekten, überall klebt Goldfolie, und man muss nur mal den Titelsong hören, dann weiß man, was gemeint ist: Wenn nichts mehr hilft, schickt man halt eine Big Band durch den Refrain, das lenkt ab. Es wirkt wie eine Collage; die Bruchlinien wurden mit technischer Perfektion übertüncht, und dann gibt es auch noch einen gesprochenen Mittelteil. Nach zwei Minuten ist man eigentlich schon satt, es folgen allerdings weitere zwei. Es ist alles ein bisschen mühsam.

Williams' Songwriter-Kompagnon Guy Chambers wieder mit an Bord

Immerhin, es gibt einen Lichtblick: Zwei Stücke sind zurückhaltender arrangiert als der Rest, sie dürfen denn auch als die gelungensten gelten. "Sensitive" rumpelt sehr schön auf einem Basslauf aus der Disco in die Sonne, das ist ein Gute-Laune-Lied, und da hört man Williams tatsächlich mal singen, wohingegen er ansonsten zumeist schreit, ruft oder akklamiert, um sich unter all der Sahne überhaupt Gehör zu verschaffen. Das andere nette Lied ist "David's Song", da zwinkert Robbie Williams den Hörern zu, da weht kurz das Aroma einer dieser Schmachtballaden vorüber, die er einst so gut konnte: streicherseliges Großraumgefühl, das mit so viel Leichtigkeit dargereicht wurde, dass es immer ein bisschen ironisch anmutete.

Williams' alter Songwriter- und Produzenten-Kompagnon Guy Chambers ist wieder mit an Bord, auch Rufus Wainwright hat an einigen Liedern mitgeschrieben. Aber keiner dieser talentierten Kerle hat gesehen, was man da im Studio zusammenbraut, eine Platte nämlich, die den Künstler schier erdrückt. Die seine Qualitäten nicht zur Geltung bringt. Und aus Klischees und Assoziationen zusammengebastelt ist. "Let's Stick Together" klingt an, und einmal fühlt man sich auch an Abba erinnert, aber jede Reminiszenz ist wahllos, nichts zwingend.

Vielleicht haben sie es sogar gesehen, und in ihrer Verzweiflung haben sie von allem einfach noch ein bisschen mehr hinzugegeben, auf dass man die Defizite nicht so merkt. Tut man aber natürlich doch. Williams' beeindruckendes Greatest-Hits-Album "In And Out Of Consciousness" umfasst 39 Songs aus den Jahren 1990 bis 2010. Die aktuelle Platte hat keinen Titel, den man diesem Konvulut hinzufügen möchte.

Dabei haben wir Robbie Wiliams so viel zu verdanken. In seinen besten Momenten schaffte er es, seine Zeit zu bebildern, ein allgemeines Gefühl in große musiktheatralische Vorstellungen zu übersetzen. Das vormalige Mitglied der Band Take That wurde zum hinreißenden Solokünstler, indem es eine in der Gosse erlernte Wendigkeit und seinen Hang zum Kitsch in einer neuartigen Entertainer-Figur vereinte. Diese Figur war von der Wirklichkeit inspiriert, aus ihr heraus geschaffen, aber sie überragte die Gegenwart doch.

Williams-Auftritte waren Lektionen in Lässigkeit

Williams gab seinem Bühnen-Charakter eine Erzählung. Er berichtete in Texten und Interviews vom Leben des Popstars, von dessen Schwierigkeiten, immer mit einem Augenzwinkern, das wurde ja sein Markenzeichen: diese angeschäkerte Vergeblichkeitskoketterie. Es ist das große Verdienst von Robbie Williams, die Selbstironie zu einem wichtigen Bestandteil der zeitgenössischen Popmusik gemacht zu haben. Man darf diese Leistung nicht unterschätzen. Eine Hörer-Generation erprobte daran ihre Männlichkeit oder richtete ihre Vorstellung von Männlichkeit danach aus. Williams-Auftritte waren Lektionen in Lässigkeit.

Dass er ein solches Bühnen-Ich überhaupt entwickeln konnte, hat er indes seinen Songschreibern und Komponisten zu verdanken, die ihn mit ästhetisch einwandfreiem, teils überwältigendem Material versorgten und ihm damit Sicherheit gaben und Freiraum. Nun ist Robbie Williams die Gegenwart abhandengekommen. Vielleicht kann man es so sagen: Seine letzten Platten legen den Schluss nahe, dass er Konzerte als sein eigentliches Hauptwerk erachtet. Lieder hat er ja genug, und Songs wie "Feel" und "Angels" können den Himmel immer noch bunt anmalen.

So wird man denn wohl auch weiterhin zu seinen Konzerten gehen. Und hoffen, dass er nichts von der neuen Platte spielt.

(hol)
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