Rebellion im Hip-Hop Wie Rapper Trump attackieren

Washington · Der politische Protestsong feiert seine Auferstehung. Zu neuer Blüte hat ihm ausgerechnet der Hip-Hop verholfen. Und dass er wütender und zorniger ist denn je, liegt am künftigen US-Präsidenten.

Der amerikanische Schriftsteller Dave Eggers hat eine prophetische Gabe. Das weiß man spätestens seit seinem Roman "Der Circle", in dem er sich ausmalt, wie unser künftiges Leben in der digitalisierten Welt aussieht. Eggers kennt sich aber nicht bloß mit Big Data aus, sondern auch mit Musik. Jüngst hat er gesagt, er rechne damit, dass der politische Protestsong bald seine Auferstehung erleben werde.

Wenige Tage vor der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten war das, und inzwischen hat sich die Prophezeihung bewahrheitet. Allerdings hätte wohl selbst Dave Eggers nicht gedacht, dass die neue Kultur des Dagegen nicht vom Folk ausgehen, sondern ausgerechnet im Hip-Hop entstehen würde.

Eine Wutpredigt von Rapper YG

In den vergangenen Wochen sind mehrere aufsehenerregende Produktionen erschienen, in denen sich Künstler Luft machen und ihren Zorn in Worte fassen. Angriffsziel ist dabei stets Donald Trump. Der 26 Jahre alte Rapper YG etwa hat derzeit einen großen Hit, er heißt "FDT", was als Abkürzung für "Fuck Donald Trump" steht.

Man kann dem jungen Kerl also nicht vorwerfen, allzu subtil zu sein, aber das Stück ist gut. YG hat es in nur einer Stunde aufgenommen, eine Wutpredigt ist das, Kampfdampfplauderei mit massiven Beats. Im Interview sagte YG, dass er das Diskutieren leid gewesen sei, er habe handeln wollen. "Ich habe mal eine Frage", singt er nun, "wie konnte dieser Mann überhaupt so weit kommen?"

YG stammt von der Westcoast, aus Compton, um genau zu sein, dem Vorort von Los Angeles, in dem auch N.W.A groß wurde, jene Band, die 1988 das Lied "Fuck Tha Police" in die Welt schleuderte. Damals war Hip-Hop nahe an den subkulturellen Ursprüngen, das Genre diente als Medium, über das man die Mächtigen kritisierte. Die schwarzen Mitglieder von N.W.A — darunter der heutige Milliardär Dr. Dre — wehrten sich in ihrem Lied gegen polizeiliche Willkür.

"Der Mann ist nicht friedlich, er ist ein Rassist"

Hip-Hop war schnell und authentisch, aggressiv und kompromisslos. Man reimte in der Sprache der Straße, kommunizierte mit Codes, die nur Eingeweihten geläufig waren, und die Gruppe Public Enemy ("Fight The Power"), die in New York zum bewaffneten Widerstand gegen das System aufrief, bezeichnete sich selbst als alternative Nachrichtenagentur.

In dieser Tradition bewegt sich YG, und sein Lied wurde zum Soundtrack der Protestmärsche, die es nach der Wahl Trumps an vielen Orten der USA und vor allem in Los Angeles gab. Der weiße Rapper Macklemore aus Seattle brachte einen Remix des Stücks heraus, er steuerte eigene Verse bei, um zu dokumentieren, dass der Protest nicht ausschließlich von Amerikanern mit dunkler Hautfarbe unterstützt wird.

"Der Mann ist nicht friedlich, er ist ein Rassist", singt Macklemore über Trump, und dagegen stehe er nun auf. Beide Versionen wurden ohne Label im Internet veröffentlicht, sie sind impulsive Leitartikel zur Lage der Nation, und jeder wurde millionenfach geteilt und angehört.

Hip-Hop erstickte unter Goldlack

Dabei war Hip-Hop als aufständiges Genre eigentlich schon erledigt. Wie die Entwicklung der bedeutendsten Jugendkultur der vergangenen 30 Jahre verlaufen ist, verdeutlichen zwei Songs. Der erste erschien 1986: "My Adidas" von Run-D.M.C.. Die Band machte den weißen Turnschuh als Insigne des Milieus populär. Jeder konnte ihn in der Mall kaufen und fortan dazugehören, und wer ihn wie die Rapper ohne Schnürsenkel trug, bekannte damit seine Solidarität mit den einsitzenden Kameraden in den Hochsicherheitstrakten.

2013 erschien das Lied, das die größtmögliche Entfernung von den Idealen und Zielen Run-D.M.C.s symbolisiert: "Picasso, Baby" von Jay Z. Der erfolgreichste Rapper der Welt ist nicht mehr an Turnschuhen interessiert, er sucht lieber in Manhattans Galerien notariell beglaubigte Angeberkunst: "I just want a Picasso in my casa, no: my castle." ("Ich möchte einen Picasso für mein Haus, nein: mein Schloss.") Im Videoclip fährt er im Maybach vor.

Jay Z ging es um Distinktion, nicht um Gemeinschaft und Zusammenhalt, er inszenierte sich als Teil einer Elite. Hip-Hop erstickte unter Goldlack, und der Name Donald Trump wurde in Texten dazu passend gerne und oft als Synonym für den Erfolg benutzt: Werde reich und rede darüber.

Barack Obama baute zu Beginn seiner Amtszeit auf das Genre

Der amerikanische Journalist Allison McCann hat mit Hilfe der Internetplattform Genius ausgewertet, wie häufig der Name Trumps im Hip-Hop seit 1989 zitiert wurde. Demnach tauchte er in 266 Songs auf, zumeist in positivem Zusammenhang, nur acht Mal mit negativem Bezug. 2015 allerdings kam die Wende, von da an äußerten sich Rapper ausnahmslos negativ über Trump — im Jahr 2016 allein 27 Mal.

Was war passiert? Die dazu befragten Musiker antworteten, dass Trump einst etwas Abstraktes gewesen sei, ein Begriff, der für Reichtum und Erfolg stehe. Inzwischen habe man aber den Menschen dahinter kennengelernt, und den finde man gar nicht gut.

Man darf den Einfluss des Hip-Hop als Meinungsmacher nicht unterschätzen. Künstler wie Lil' Wayne verbreiten ihre Stücke auf so genannten Mixtapes gleichsam über Nacht und zumeist zum freien Download im Internet. Sie erreichen über die sozialen Netzwerke mit einem Schlag Millionen Menschen (Lil' Wayne hat bei Twitter rund 27 Millionen Follower, Beyoncé bei Instagram 91,5 Millionen Abonnenten), weshalb Barack Obama gerade zu Beginn seiner Amtszeit auf das Genre gebaut hat.

Er flocht einschlägige Begriffe wie "folks", und "brothers and sisters" in seine Reden, und das Ergebnis waren Hip-Hop-Elogen wie "My President Is Black" von Young Jeezy. Nach dem Ende der ersten Amtszeit verflog die Begeisterung unter den meisten Musikern. Ernüchterung machte sich breit, und Lil' Wayne rappte in "Trap House": "Black president ain't do nothing." ("Dieser schwarze Präsident bringt gar nichts.") Er wünschte sich einen "real Nigga" im Weißen Haus.

Die Wut war verdammt groß

Von 2013 an wurde jene Szene im Hip-Hop stärker, die sich "Conscious" nennt. Diese Künstler wollen zur Bewusstseinsfindung des schwarzen Amerika beitragen, die afroamerikanischen Wurzeln rehabilitieren. Concious Rap ist akademischer als Gangsta Rap, klüger und reflektierter zudem, aber mitunter ebenso wütend. Und die Wut war verdammt groß.

Im Juli 2013 wurde nämlich der Wachmann George Zimmerman freigesprochen, der im Jahr zuvor den 17 Jahre alten Afroamerikaner Trayvon Martin in Florida erschossen hatte. Martin hatte sich Süßigkeiten gekauft, er war auf dem Heimweg, und Zimmerman war der Meinung — so jedenfalls gab er zu Protokoll —, Martin hätte nichts Gutes im Schilde geführt.

Der Protest gegen das Urteil, das viele als Beweis für staatlichen Rassismus werteten, wurde im Internet unter dem Stichwort #BlackLivesMatter formuliert. In den Dienst der Sache stellten sich Künstler wie Kendrick Lamar, Beyoncé, J. Cole, D'Angelo und Solange, die das Genre bald mit ihren jeweils neuen Platten zu neuer Blüte verhelfen.

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Beyoncé etwa lässt die Mutter Trayvon Martins in einem Video ein Foto des toten Sohnes hochhalten. Beyoncés Schwester Solange singt in dem Stück "Don't You Wait", dass es notwendiger denn je sei, politische statt Herzschmerz-Lieder zu singen. Und sie lässt auch die eigene Mutter zu Wort kommen: "Für Schwarze zu sein, bedeutet nicht, gegen Weiße zu sein."

So politisch wie seit den frühen 90er Jahren nicht mehr

In Donald Trump fand der Hip-Hop dann sein Feindbild, vorrangig wegen dessen Tiraden gegen Schwarze, Mexikaner und Muslime. So politisch wie jetzt ist das Genre seit den frühen 90er Jahren nicht gewesen. "It's time to team up", singt YG am Ende von "FDT", es sei an der Zeit, dass man sich zusammentue.

Dazu passt auch der neue Song "We The People" von A Tribe Called Quest. 18 Jahre hat die Gruppe, die seit 1990 zu den wichtigsten Vertretern des Conscious Rap zählt, nichts veröffentlicht. Nun habe man neue Dringlichkeit gespürt, sagte deren Kopf Q Tip. Das Ergebnis ist das erste Protestalbum der Ära Trump: "We the people / We don't believe you", ("Wir, das Volk / Wir glauben dir nicht.") heißt es da.

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Noch weiter geht das Duo Run The Jewels auf seinem neuen Album. Es singt nicht mehr von Protest, sondern von Revolte. Die USA seien in den Händen von Oligarchen, es drohe die "Herrschaft der Sklavenhalter", die Zukunft sei eine einzige Dystopie, deswegen stehe der Guerillakampf bevor. Sie zitieren Martin Luther King: "A riot is the language of the unheard", hatte der 1967 gesagt. Die Situation sei heute ganz ähnlich, meinen Run The Jewels.

Bei ihnen hört es sich so an: "We hear the same sound coming / And it sounds like war."

(hols)
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